Tempo 30 in der Stadt:"Es ist unschön, dass das so irre lang dauert"

Tempo 30

Ob das Limit nützt, will die Stadt nach dem Test untersuchen.

(Foto: dpa)

Die Stadt Göttingen möchte auf Hauptverkehrsstraßen die Geschwindigkeit auf Tempo 30 senken. Stadtbaurat Thomas Dienberg ärgert das zähe Genehmigungsverfahren.

Interview von Marco Völklein

445 Radfahrer wurden nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts im Jahr 2018 getötet. Das war ein Anstieg um 16,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Göttinger Stadtbaurat Thomas Dienberg will sich damit nicht abfinden. Seit Jahren schon plädiert er dafür, die Regelgeschwindigkeit in den Kommunen abzusenken - von Tempo 50 auf Tempo 30.

SZ: Herr Dienberg, was versprechen Sie sich von dieser Maßnahme?

Thomas Dienberg: Vor allem mehr Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger oder auch die Nutzer der neuen Elektro-Tretroller, die ja demnächst zusätzlich auf unsere Straßen kommen werden. Außerdem könnte dadurch die Lebensqualität in vielen Wohnquartieren gesteigert werden, die derzeit von großen Hauptverkehrsstraßen durchschnitten werden: Dort gäbe es weniger Lärm und möglicherweise auch weniger Schadstoffemissionen.

Sie sagen: möglicherweise. Sie wissen es also nicht.

Richtig. Deshalb hat sich der Göttinger Stadtrat, als er vor einigen Jahren schon den "Klimaplan Verkehr" verabschiedet hat, unter anderem für einen flächendeckenden Versuch zu Tempo 30 ausgesprochen. Wir würden es gerne einfach mal ausprobieren und diesen Versuch wissenschaftlich begleiten lassen, um dann zu sehen, welche Auswirkungen eine Absenkung der Regelgeschwindigkeit auf Unfallzahlen, auf Lärmemissionen und auf die Luftschadstoffe hat.

Das Land Niedersachsen hat vor Jahren angekündigt, dass man einen solchen Versuch in einigen Kommunen starten will. Was ist daraus geworden?

Wir haben uns beim Land beworben und im vergangenen Jahr auch die Information erhalten, dass wir zusammen mit 17 weiteren Kommunen in die engere Auswahl kommen. Damals hieß es auch, das Land werde die wissenschaftliche Begleitung europaweit ausschreiben. Seither haben wir dann nichts mehr gehört.

In naher Zukunft wird also in ganz Göttingen nur noch Tempo 30 gelten?

Nein, das Land will den Versuch zunächst nur an ausgewählten Hauptverkehrsstraßen durchführen, für Göttingen haben wir drei große Straßen angemeldet. Darunter ist auch der Düstere-Eichen-Weg, eine Ausfallstraße, die fast ausschließlich von Wohnbebauung gesäumt wird. Dort ließe sich gut sehen, ob und gegebenenfalls wie sich eine solche Maßnahme positiv auswirken würde auf Themen wie Verkehrssicherheit und Lebensqualität.

Kritiker befürchten: Wenn überall Tempo 30 gilt, gibt es keinen Grund mehr für die Autofahrer, auf den Hauptverkehrsstraßen zu bleiben. Die weichen dann in die Wohnviertel aus.

Diese Befürchtungen gibt es, ganz klar, und damit muss man sich auseinandersetzen. Solche möglichen Nachteile muss man von Anfang an im Blick haben. Genau deshalb fände ich ja einen flächendeckenden Versuch besser, der das gesamte Stadtgebiet umfasst. Dann könnte man sehen, ob sich Verlagerungseffekte besser in den Griff bekommen lassen.

Einen konkreten Zeitpunkt, wann der Versuch nun startet, gibt es aber nicht?

Leider nein. Es ist unschön, dass das so irre lang dauert. Man muss aber auch sehen: Selbst so ein Versuch steckt in einem sehr engen, rechtlichen Korsett. Gut wäre daher aus meiner Sicht, wenn in der Straßenverkehrsordnung eine Art Experimentierklausel drin wäre, die es den Kommunen erlauben würde, solche Sachen einfach mal auszuprobieren. Dann käme vieles sicherlich schneller voran. In Österreich zum Beispiel gibt es meines Wissens nach eine solche Ausprobierklausel.

Wo sehen Sie noch Hemmnisse?

Im Förderrecht zum Beispiel. Auf dem Düstere-Eichen-Weg wollten wir vor einiger Zeit einen größeren Abschnitt rund um ein Stadtteilzentrum mit mehreren Einrichtungen zur Nahversorgung mit Tempo 30 auszeichnen, weil es dort sehr eng ist und viele Radfahrer sowie Fußgänger unterwegs sind. Zudem sollte die Straße mit Fördergeldern des Landes saniert werden. Bei den Gesprächen mit dem Land stellte sich aber heraus, dass die Förderbedingungen eine so großräumige Herabsetzung auf Tempo 30 nicht zulassen - andernfalls hätten wir keine Fördermittel erhalten. Also haben wir nur in einem relativ kurzen Abschnitt die Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer herabsetzen können. Daher muss nun bei dem hoffentlich bald startenden Versuch von Anfang an sichergestellt sein, dass die Förderbedingungen angepasst werden.

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