Fischen in Moosach:Auf der Titanic über den Steinsee

Fischen in Moosach: Als er vier oder fünf Jahre alt war, ist Josef Noder mit seinem Vater zum ersten Mal zum Angeln gegangen. Die Faszination von damals hat das Hobby für ihn auch gut 50 Jahre später nicht verloren.

Als er vier oder fünf Jahre alt war, ist Josef Noder mit seinem Vater zum ersten Mal zum Angeln gegangen. Die Faszination von damals hat das Hobby für ihn auch gut 50 Jahre später nicht verloren.

(Foto: Christian Endt)

Ruhe statt Hektik, Entspannung in der Natur und immer wieder ein guter Fang: Die Fischereivereine im Landkreis Ebersberg boomen. Unterwegs auf dem Boot von Josef Noder.

Von Johanna Feckl, Moosach

Josef Noder macht einen Schritt zur Seite. Sein rechtes Bein steht auf dem schmalen Holzsteg, der ein paar Meter vom Ufer in den Moosacher Steinsee hineinreicht. Sein linkes Bein balanciert einige Zentimeter daneben auf der leicht schwankenden Titanic. Die Titanic von Noder misst ungefähr zwei auf vier Meter und ist grün. Der 57-Jährige schwingt nun auch sein rechts Bein auf das Boot und es entsteht ein harmonisches, wohlkomponiertes Bild: das satte Tannengrün der Titanic und Noder mit kakifarbener Stoffhose und grün-braun-kariertem Hemd. Das passt alles ziemlich gut zusammen.

Josef Noder ist Fischer. Kein Berufsfischer. Er steigt einfach nur so mit Angel und Haken aufs Boot, in seiner Freizeit. Aber das tut er schon, seitdem er laufen kann. Bei seinem ersten Angelausflug mit seinem Vater war er vier oder fünf Jahre alt, so genau weiß der 57-Jährige das nicht mehr. Einige Jahre später, mit 17, trat er in den Kreisfischereiverein Ebersberg ein, seit knapp zwei Jahren ist er dort der Vorsitzende. Nachgelassen hat seine Begeisterung für das Fischen während all dieser Zeit nicht. Wie oft er pro Woche mit der Titanic hinaus auf den Steinsee schippert? "Zu wenig", sagt Noder und lacht ein kurzes Lachen, während er mit seinen Armen links und rechts neben der Brust gemächliche Ruderkreise zieht.

Viele Menschen im Ebersberger Kreis teilen die Leidenschaft fürs Fischen, die Josef Noder seit Kindesbeinen in sich trägt. Die Zahl der ausgegebenen Fischereischeine ist seit Jahren stabil, in manchen steigt sie sogar rasant. 2018 gab etwa Markt Schwaben 15 Scheine aus. In dem Markt ist auch die Anglergilde Sempt mit ihren mittlerweile etwa 360 Vereinsmitgliedern angesiedelt. Allein in diesem Frühjahr gab es 47 Mitgliedsanträge, wie der Ehrenvorsitzende Rainer Lauterbach sagt. In Poing waren es im vergangenen Jahr 18 neue und verlängerte Fischereischeine und in Ebersberg 24 Stück - mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2016, da waren es zehn.

Die Schonzeit ist vorbei

Ein Fischereischein ist so etwas wie ein Führerschein fürs Fischen: Ohne einen solchen ist Angeln verboten. Den Theorieteil kann man mittlerweile in Onlinekursen lernen. Für die praktische Ausbildung sind die Fischereivereine zuständig. Ist die Prüfung bestanden, stellt die Gemeinde, in der der zukünftige Fischer wohnt, den Fischereischein aus. Entweder auf Lebenszeit, oder für eine Dauer von einigen Jahren - das handhabt jede Kommune etwas anders. Jugendliche müssen keine Prüfung ablegen, um einen Schein zu bekommen. Allerdings dürfen sie nur in Begleitung eines Erwachsenen mit gültigem Fischereischein die Angelrute auswerfen.

Zug um Zug rudert Josef Noder weiter hinaus auf den Steinsee. Jedes Mal, wenn die zwei Ruder die Oberfläche des Sees durchbrechen, ist ein Platschen zu hören. Irgendwie schafft es Noder aber, die Ruder so sanft zu führen, dass es gedämpft klingt, eher wie ein "baaatsch". Langsam und gleichmäßig. Immer wieder: "Baaatsch." Bis der 57-Jährige die Ruder loslässt und sich stattdessen den zwei Angelruten widmet. Mit geübten Handgriffen steckt er sie zusammen und hinein in zwei Haltevorrichtungen, einer links, der andere rechts an der Innenseite der Titanic.

Es ist eines der ersten Male, dass Josef Noder an diesem frühen Dienstagabend in dieser Saison hinaus auf den Steinsee gerudert ist. Offizielles Anfischen im Verein ist jedes Jahr am Karfreitag, damit es den traditionellen Fisch zum Feiertag gibt, selbstgefangen. Davor ist Schonzeit. Das ist die Zeit, in der Fische laichen. Angeln ist dann verboten. Für die Hechte, die im Steinsee schwimmen, galt die Schonzeit sogar noch bis zum 15.

April. Neben der Schonzeit gibt es auch ein Schonmaß. Ein Hecht zum Beispiel muss mindestens 50 Zentimeter lang sein. Ansonsten heißt es: Wieder zurück mit ihm ins Wasser. "Jeder Fisch sollte die Chance haben, sich mindestens einmal fortzupflanzen", sagt Noder. Misst ein Hecht weniger als das Schonmaß, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er zu dieser Chance noch nicht gekommen ist.

Ein Kontrast zum "Voigas"-Leben

Noder fasst hinter sich und zieht drei Plastikboxen hervor. In der einen kommen etwa je zehn Zentimeter lange Fischattrappen zum Vorschein. In der anderen lagern silberne und goldene Metallplättchen, ähnlich wie Schlüsselanhänger. Und die letzte Box offenbart ein Sammelsurium aus glitzernden zusammengebundenen Strähnchen aus Kunststoff. Streamer nennt sich das, was an bunte Insekten erinnert. "Das Prinzip hinter einem jeden dieser Köder ist, dass sie Fischbeute imitieren", erklärt Noder. Er knotet einen der Köder an den Nylonfaden seiner Angel, greift die Rute an dem Korkgriff des einen Endes, die rechte Hand über der linken, wirft das andere Ende über die linke Schulter zurück, lässt die Spule los und schleudert die Angel wieder nach vorne.

Es surrt kaum merklich, als sich die Spule dreht und der Fischattrappenköder an dem Nylonfaden weiter und weiter weg von der Titanic segelt. Nach guten 30 Metern gleitet der Köder durch die Wasseroberfläche, in der sich das Treiben der Wolken und das Glitzern der Sonnenstrahlen spiegeln. Hin und wieder trägt eine laue Frühlingsbrise das Quaken von Enten oder das Zwitschern von Vögeln bis zum Boot. Ansonsten hört man: Stille. Ruhe. Nichts. Man möchte seufzen.

Genau das ist es. Der Grund, weshalb Josef Noder fischt. Als Kontrast zu dem "Voigas", wie er es nennt, das man den ganzen Tag über gibt. Er spricht von Leistungsdruck, volle Fahrt voraus!

Dieser Tag ist einer derjenigen, an denen sich kein Fisch an Noders Haken wagt. Andernfalls hätte der 57-Jährige seinen Priest in die Hand genommen, ein silberner 15 Zentimeter langer Griffel, an der einen Seite etwas schwerer als auf der anderen. Damit hätte er dem Fisch einen Schlag auf den Kopf verpasst, dort, wo das Gehirn sitzt. Der Fisch wäre dadurch bewusstlos geworden. Dann hätte Noder das Tier mit einem Kiemenrundschnitt getötet und es ausbluten lassen.

Jeder Schritt ist so vom Tierschutzgesetz vorgeschrieben. Die Vorstellung wirkt brutal inmitten all dieser friedvollen Ruhe. "Aber deshalb ist es auch nicht schlimm, wenn man nichts fängt", sagt Noder und lacht sein kurzes Lachen.

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