Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:Kai Gniffke wird neuer Intendant des Südwestrundfunks

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Einträchtig auf Kunstlederstühlen: Kai Gniffke und Stefanie Schneider (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Nach monatelangem Gerangel setzt sich der ARD-aktuell-Chef gegen Stefanie Schneider durch. Er steht vor einer Herausforderung: Der SWR gilt als dringend reformbedürftig.

Von Stefan Mayr

Da sitzen sie nun einträchtig nebeneinander auf schwarzen Kunstleder-Schwingstühlen und warten gebannt auf das Wahlergebnis. Kai Gniffke greift zum Handy, beugt seinen Kopf zu seiner Konkurrentin Stefanie Schneider, klick, ein Selfie. Dann geht alles schneller als erwartet: Nach einem Patt im ersten Wahlgang wird der 58-jährige Gniffke nach dem zweiten Wahlgang zum künftigen Intendanten des Südwestrundfunks ausgerufen. Nach monatelangem Gerangel in den diversen Gremien steht der neue Chef der zweitgrößten ARD-Anstalt also endlich fest. Gniffke folgt auf Peter Boudgoust, 64, der den Posten nach zwölf Jahren im Amt aus freien Stücken frühzeitig räumt.

Die Wahl war auf mehreren Ebenen grotesk verlaufen. Zum einen hatte das Ausleseverfahren für die Intendantenwahl Streit ausgelöst über die Frage, ob von einer Handvoll aussichtsreicher Bewerber nur zwei zum Wahltermin antreten dürfen. Neben dem bürokratischen Hin und Her hatte es zum anderen mehrere anonyme Vorwürfe gegen Kandidat Gniffke gegeben. Es ging um veruntreute Beitragsgelder, und es ging um die Frage, ob einer wie er mit blonder Perücke Moderatorinnen nachahmen darf.

Kai Gniffke ist in einem 150-Einwohnner-Dorf in der Eifel aufgewachsen, heute ist er als Chefredakteur von ARD-aktuell verantwortlich für Tagesschau und Tagesthemen. Er ist SPD-Mitglied und stammt aus Rheinland-Pfalz. In seinem neuen Amt steht er jetzt vor großen Herausforderungen: Zum einen ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Allgemeinen unter Druck - die Digitalisierung drängt mit neuen Herausforderungen, zugleich hetzen Populisten gegen die Angebote. Und im Besonderen gilt der SWR bezüglich Programm und Organisation als dringend reformbedürftig.

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Letzteres betonten beide Kandidaten in ihren Bewerbungsreden - und es war zuvor auch im Laufe der monatelangen Kandidatenkür deutlich. Hauptproblem des SWR: Seit der Fusion anno 1998 von SDR und SWF zum SWR gibt es Machtkämpfe zwischen den zwei Bundesländern plus den drei Standorten in Stuttgart, Mainz und Baden-Baden. "Nach so vielen Jahren reden wir immer noch über Ländergrenzen und Standorte", sagt Gniffke. Es sei höchste Zeit für eine Gemeinschaftsanstrengung: "Ein einiger SWR kann unglaublich stark sein", ruft er. Soll wohl heißen: Bislang verpufft viel zu viel Kraft bei internen Grabenkämpfen.

Für Gniffke dürfte bei der Wahl gesprochen haben, dass ihm als von außen Kommendem eher zugetraut wird, die verhärteten Strukturen aufzubrechen. Und dass er, im Gegensatz zu seiner Konkurrentin, in der ARD gut vernetzt ist, was das Gewicht des SWR bundesweit stärken könnte.

Insgesamt kündigt er, klar, einen "Transformationsprozess" an, der "nicht ohne Konflikte" vonstatten gehen werde. Damit deutet er an, dass wohl auch Bereiche gestrichen werden. "Meine Hoffnung, dass wir noch mal eine nennenswerte Beitragserhöhung bekommen, hält sich in Grenzen." Klingt nach Sparrunden, und er verrät auch, wo er ansetzen wird: "Wir müssen das Fernsehen effizienter produzieren, da vergeben wir noch Ressourcen, die wir anderswo sinnvoller einsetzen könnten."

Etwa für digitale Medien. Er wolle "der Pacemaker der ARD in Sachen Digitalisierung sein", sagte Gniffke in seiner Rede, die er frei vortrug. Er wolle neue Formate entwickeln, die junge Leute ansprechen, "vielleicht sogar eine Serie, die mit Netflix mithalten kann". Der SWR brauche "so was wie ein Labor oder eine Hexenküche", wo kreative Leute Ungewöhnliches ausprobieren dürfen, sagt der Nachrichtenmann.

Überhaupt wolle er die sozialen Medien noch mehr bespielen: "Volle Kraft da rein." Damit will er auch die "Spaltungstendenzen" in der Gesellschaft bremsen. "Wir müssen mit denen reden, die uns weghaben wollen", sagt er. "Die nutzen uns noch. Ich würde nicht Hunderte Hassbotschaften bekommen, wenn sie nicht die Tagesschau schauen würden."

Als weiteres Ziel nannte er, die Hälfte aller Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. Ob all diese großen Ankündigungen reine Wahlversprechen sind oder in die Tat umgesetzt werden, kommt spätestens in fünf Jahren auf. So lange dauert die Amtszeit, 2024 müsste sich Gniffke einer Wiederwahl stellen.

Das kann kompliziert werden, wie am Donnerstag im Studiosaal des Stuttgarter Funkhauses überdeutlich wird. Die Mitglieder des Verwaltungsrats und des Rundfunkrats geben im ersten Wahlgang zunächst Gniffkes Konkurrentin Stefanie Schneider mehr Stimmen. Ihr fehlt aber die nötige Mehrheit unter den Delegierten aus Rheinland-Pfalz. Deshalb kommt es zum zweiten Wahlgang. Nach einstündigen Diskussionen hinter verschlossenen Türen dann die Wende: Nach der zweiten Auszählung liegt Gniffke sowohl bei der Gesamtzahl der Stimmen als auch bei der Auszählung nach Bundesland vorne.

Die Gegenkandidatin Stefanie Schneider zeigt sich danach als faire Verliererin. Die 57-Jährige steht mit Gniffke am Buffet, beide prosten sich mit einem Sektglas zu. Wann genau Gniffke von Hamburg nach Stuttgart wechseln wird, ist erst einmal noch offen.

In einer früheren Version dieses Textes stand, Kai Gniffke stamme aus Baden-Württemberg. Das stimmt nicht. Tatsächlich kommt er aus Rheinland-Pfalz.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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