Eric Matthes:"Trump ist aufgeschmissen, wenn er allein in den USA ein Smartphone bauen will"

Huawei-Produktion in Guangdong, China

Produktion von Huawei-Handys in Dongguan, China.

(Foto: REUTERS)

Die USA setzen Huawei auf eine schwarze Liste und lösen eine Kettenreaktion aus. Eric Matthes, Chef von HMD-Global, erklärt, wie das den Smartphone-Markt verändert und warum ein Handelskrieg keine Gewinner kennt.

Interview von Simon Hurtz

Vergangene Woche hat US-Präsident Donald Trump den Telekommunikations-Notstand ausgerufen. Amerikanische Unternehmen brauchen nun eine Sondererlaubnis, wenn sie Geschäfte mit Huawei machen wollen. Daraufhin stellte Google fast alle Geschäftsbeziehungen mit dem chinesischen Unternehmen ein und entzog dem Smartphone-Hersteller die Android-Lizenz. Auch Chip-Hersteller wie Intel und Qualcomm beliefern Huawei nicht mehr mit Hardware. Eine Sondererlaubnis des US-Handelsministeriums erlaubt es Huawei, seine Geräte 90 Tage lang mit Software-Updates zu versorgen. Wie es danach weitergeht, ist unklar.

Eric Matthes verkauft Nokia-Handys. Er leitet das Deutschlandgeschäft des finnischen Konzerns HMD Global, der seine Handys unter dem legendären Markennamen vertreibt. Als Netzwerkausrüster und Smartphone-Hersteller ist HMD Global direkter Konkurrent von Huawei. Matthes sagt, dass Trump einen politischen Konflikt auf dem Rücken von Nutzern und Unternehmen austrägt.

SZ: Samsung, Apple und Huawei dominieren den Smartphone-Markt. Ändert sich das jetzt?

Eric Matthes: Huawei produziert gute Geräte und hat seine Marke konsequent aufgebaut. Dafür werden sie von Nutzern geschätzt, und dieses Image verlieren sie nicht von einen Tag auf den anderen. Allerdings ist die Unsicherheit auf dem Markt jetzt groß, und es gibt entsprechende mediale Aufmerksamkeit. Das wird Folgen haben. Es ist noch zu früh zu sagen, wie stark die Erschütterung ausfällt.

Derzeit ist unklar, welche Android-Updates aktuelle Huawei-Smartphones noch erhalten werden. Manche Medien raten offen davon ab, Huawei-Hardware zu kaufen. Das muss Käufer doch abschrecken.

Die Aufregung ist riesig. Normale Nutzer beschäftigen sich plötzlich mit Fragen, über die sie sich vorher keine Gedanken gemacht haben. Android-Updates waren für viele Käufer bislang kein entscheidendes Argument. Das könnte sich jetzt ändern. Auch die Provider dürften ihr Marketing darauf einstellen: Telekom, Vodafone und Telefónica pushen in den kommenden Wochen wohl eher andere Marken als Huawei. Über allem steht die Frage, was in drei Monaten passiert, wenn die Gnadenfrist für Huawei endet. Das hängt von so vielen Faktoren ab, dass eine Antwort zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation wäre.

HMD Global Deutschland-Chef Eric Matthes

HMD Global Deutschland-Chef Eric Matthes. Er wechselte Anfang 2019 vom Konkurrenten HTC zu HMD Global, wo er das Geschäft im deutschsprachigen Raum betreut. Der finnische HMD-Konzern ist in Deutschland vor allem durch seine Handymarke Nokia bekannt.

(Foto: HMD Global)

Der Consumer-Markt ist das eine, das Firmengeschäft das andere. Kaufen Unternehmen jetzt noch Huawei-Geräte für ihre Mitarbeiter?

Auf diesem Markt sind die Auswirkungen schon jetzt spürbar. Das sind ja Massenbestellungen, und die Hardware soll jahrelang halten. Wenn ich mir nicht sicher sein kann, dass ich garantierte Updates bekomme, wäre ich vorsichtig. Das merken wir auch jetzt schon bei unserem eigenen B2B-Geschäft. Da rufen plötzlich Leute an, die sich davor nicht bei uns gemeldet haben, und erkundigen sich nach Angeboten.

Für die meisten Nutzer kam Trumps Entscheidung aus dem Nichts. Haben Sie damit gerechnet, dass er zu solchen Mitteln greift?

Das hat auch mich überrascht. Aus Trumps Sicht ist der Huawei-Bann Harakiri. Huawei bestellt ja massenhaft Hardware von US-Unternehmen. Das Importvolumen übersteigt den Umsatz, den sie in den USA machen, bei weitem. Die Abhängigkeit ist beidseitig, das Risiko für die USA ist enorm.

Was könnte denn passieren?

Einerseits schadet es US-Unternehmen ganz direkt. Huawei war ein wichtiger Abnehmer für Chips und andere Hardware. Andererseits ist völlig unklar, wie China reagiert. Was passiert, wenn China seinen Zulieferern die Geschäfte mit amerikanischen Konzernen verbietet? Oder 150 Prozent Zollaufschlag verlangt? Dann würde ein iPhone 2000 Dollar kosten. Der gute Herr Trump ist aufgeschmissen, wenn er allein in den USA ein Smartphone bauen will. Er trägt einen politischen Konflikt auf dem Rücken einer Industrie aus.

Was bedeutet das für Nokia?

Für uns ist das durchaus eine Chance, aus zwei Gründen: Erstens setzen wir seit Jahren auf schnelle Updates. Wir garantieren monatliche Sicherheitsupdates und versorgen unsere Geräte mit den neuesten Android-Versionen. Bei der Hardware werden sich Handys immer ähnlicher, umso wichtiger wird die Software. Diesen Vorteil können wir jetzt noch mal herausstellen. Zweitens positionieren wir uns als europäisches Unternehmen. Wenn sich die USA und China streiten, können wir in der Wahrnehmung der Nutzer davon profitieren.

Allerdings haben Sie mit Google und Qualcomm wichtige Partner in den USA und lassen selbst in Fernost produzieren.

Unser Name sagt es schon: HMD Global, das Unternehmen hinter Nokia, agiert global. Wir produzieren weltweit und verkaufen weltweit. Deshalb sehen wir die Entwicklung mit Sorge. Am Ende profitiert niemand, wenn der Konflikt eskaliert. Gerade für Europa ist das riskant. Wir sitzen zwischen den Stühlen, oder passender: Wir sind zwischen ihnen eingeklemmt. Es gibt keinen echten europäischen Smartphone-Hersteller, die Unternehmen sind abhängig von den USA und von China. Ein Handelskrieg schadet allen.

Wie werden andere chinesische Unternehmen reagieren, etwa Xiaomi, Oppo und Oneplus?

Ich bin mir sicher, dass die genauso eilig Meetings einberufen und War-Rooms eröffnet haben wie wir. Der Smartphone-Markt schien relativ gesättigt zu sein, plötzlich gibt es eine ganz neue Dynamik. Andere Unternehmen werden versuchen, die Lücke zu füllen, wenn Huawei Anteile verliert. Spannend ist nicht nur das Smartphone-Geschäft, sondern auch der Markt für Netzwerktechnologie. Hier steht mit 5G gerade ein entscheidender Technologiewechsel an. Für Huawei als Netzwerkausrüster ist das wegweisend.

Nokia hat vor vielen Jahren versucht, mit einem eigenen Betriebssystem Fuß zu fassen. Symbian OS ist gescheitert, genau wie Windows Mobile. Jetzt droht Huawei damit, sein eigenes Betriebssystem aus der Schublade zu holen. Könnte Android Konkurrenz bekommen?

Zumindest auf dem deutschen Markt kann ich mir das kaum vorstellen. Hier gibt es nur Android und iOS, und ich glaube, das wird auch so bleiben. Aus Nutzersicht sind die Google-Dienste einfach zu wertvoll. Ein Smartphone ohne den Play Store, Gmail, Google Maps und Youtube hätte es in Deutschland schwer. Google und Apple haben über Jahre eigene Ökosysteme aufgebaut, die für Nutzer gut funktionieren. Ein drittes Betriebssystem müsste völlig von vorn anfangen und die ganze Infrastruktur neu etablieren.

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