Budgetpläne:Deckel drauf

Formula One F1 - Monaco Grand Prix

Lewis Hamilton rast durch Monaco - und sichert sich die Pole Position.

(Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)

Die nächste Reform soll endlich für mehr Spannung sorgen. Doch die Gefahr ist groß, dass Mercedes dann noch überlegener sein wird.

Von Philipp Schneider, Monte Carlo

Gut, Kimi Räikkönen ist vielleicht nicht der beste Ansprechpartner für die Thematik. Fragen kann man ihn natürlich trotzdem. Auch wenn die Gefahr besteht, dass ihm die ganze Angelegenheit egal ist, wie so viele Dinge abseits seines Privatlebens. Im Jahr 2021 will die Formel 1 endlich wieder spannender werden, deshalb verpasst sie sich sehr bald ein neues Reglement. Darüber kann man mit Räikkönen reden, dem Weltmeister von 2007, der im Vorjahr noch der Teamkollege von Sebastian Vettel bei der Scuderia Ferrari war und der sich seit dieser Saison beim kleinen Team Alfa Romeo allmählich auf die nahende Rennfahrerrente einstellt.

Kimi Räikkönen ist 39 Jahre alt, im Jahr 2021 wird er 41. An diesem Sonntag bestreitet er in Monaco sein 300. Formel-1-Rennen. Dieses Jubiläum, man ahnt es vielleicht, ist Räikkönen allerdings wurscht. Er sagt: "Das ist doch nur eine Zahl, die ist mir völlig egal." Er habe einige Anstrengungen unternommen, sämtliche Kuchen und Aufmerksamkeiten, die nun unweigerlich auf ihn niederregnen, abzulehnen. Dies sei ihm nur teilweise gelungen. Weil aber der wunderbare Kimi Räikkönen den Menschen um ihn herum nicht egal ist, haben diese anlässlich dieses Jubiläums, auf das Räikkönen sehr stolz sein dürfte, sich überlegt, welcher seiner Sprüche eigentlich der beste war? Die Entscheidung fällt schwer. Die Auswahl ist riesig. Und viele Dialoge mit ihm lesen sich so, als hätte sie Jim Abrahams und die Brüder David und Jerry Zucker getextet, die Drehbuchautoren der Nackten-Kanone-Reihe und von "Airplane!" ("Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug").

Kimi, du hast ein sexy Tattoo auf dem Arm, was ist das? "Es ist ein Tattoo." Und was bedeutet das Tattoo? "Nichts, gar nichts." Ist es permanent? "Das weiß ich nicht."

In Bahrain ist Räikkönen mal gefragt worden, warum ihm der Kurs so gut liege. "Weiß ich doch nicht. Geh' und frag den Kurs!"

Oder, hier: vor wenigen Wochen, wieder Bahrain. Die Ingenieure in Räikkönens Box interessieren sich über Funk dafür, was mit seinem Frontflügel los sei? "Das weiß ich doch nicht, das müsst ihr mir sagen!"

Womöglich hängt von dem Plan die Zukunft der Formel 1 ab

Vor dem Hintergrund von Räikkönens Vorliebe für pointierte Desinformationsrhetorik war seine Antwort am Rande des Rennens in Monaco durchaus erstaunlich. Als er gefragt wurde, ob er irgendwelche Gedanken verbinde mit der Reglementänderung 2021, wurde er fast ein wenig ernsthaft. Für gewöhnlich, sagte Räikkönen, blieben die großen Teams auch nach einer Änderung der Spielregeln vorne. "Weil sie die Mittel haben, um den besten Weg zu finden, damit umzugehen." Im Übrigen wäre es "natürlich nett, wenn alles ein wenig zusammenrücken würde - nicht nur für uns Fahrer, sondern auch für den Sport". Und persönlich? "Mein Vertrag läuft im nächsten Jahr aus, was danach passiert, werden wir sehen. Es kommt darauf an, wie es läuft. Und ob ich noch interessiert bin weiterzumachen."

Es hängt sehr viel an dieser Reglementänderung. Womöglich die Zukunft der Formel 1. In Monaco schoben sich am Samstag die Silberpfeile von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas in die erste Startreihe. Mal wieder. Bei der Hafenrundfahrt, bei der sich auf der Strecke kaum überholen lässt, könnte es zum sechsten Doppelsieg von Mercedes im sechsten Rennen kommen. Ende des Jahres, daran zweifelt eigentlich niemand mehr, wird Mercedes im sechsten Jahr nacheinander die Fahrer-WM und die Konstrukteurs-WM gewonnen haben. Was also tun?

Der Vorsprung der Großen ist einfach zu groß

Liberty Media, im dritten Jahr Rechteinhaber der Formel 1, kennt im Prinzip den Hebel, an dem in erster Linie angesetzt werden müsste: das Geld. Solange die drei großen Rennställe Mercedes, Ferrari und Red Bull über ein Vielfaches an Entwicklungsressourcen verfügen, wird keines der finanziell abgehängten Teams ein Rennen gewinnen. Über die Sinnhaftigkeit einer Budgetdeckelung herrscht inzwischen auch Einigkeit. Allerdings soll sie erst 2021 eingeführt werden. Und dann nicht einmal sofort, sondern stufenweise, ehe 2023 eine Obergrenze von 150 Millionen Dollar bindend sein wird. Für die anstehende Reform kommt die Reglementierung also zu spät. Und abgesehen davon: Die Dominanz von Mercedes lässt sich nicht allein mit dem Entwicklungspotential von Mercedes an den Standorten in Brackley und Brixworth erklären. Ferrari und Red Bull spielen da in derselben Liga.

Das Problem der Formel 1 ist es, dass Mercedes mit einem großen Entwicklungsvorsprung in die Ära der Hybrid-Motoren gestartet ist, die im Jahr 2014, im Zuge der vorerst letzten großen Reform, eingeläutet wurde. Seit diesem Moment fahren Red Bull und Ferrari hinterher und bemühen sich, die Lücke zu verkleinern. Ein ähnliches Phänomen gab es wenige Jahre vorher bei Red Bull zu beobachten. Als der Brauserennstall in den guten, alten Vetteljahren zwischen 2010 und 2013 mit einer überlegenen Aerodynamik zu vier Weltmeisterschaften in Serie bretterte - bis zur Reform 2014.

Und noch ein Gedanke treibt die Teamchefs der kleineren Rennställe derzeit um: die Frage, wann exakt das Reglement für 2021 präsentiert wird. Teamchefin Claire Williams warnte davor, das Reglement früher als unbedingt nötig bekanntzugeben. Die Rennställe müssten dann zeitgleich drei Rennwagen entwickeln, was die großen Teams stemmen können, die kleinen aber überfordert: Der gegenwärtige Renner muss noch eine Weile weiterentwickelt werden. Parallel dazu wird jetzt schon der Wagen für 2020 entworfen. Und der für 2021 muss vorempfunden werden ab dem Moment, an dem Klarheit über die neuen Spielregeln herrscht.

Stand jetzt sollen bereits im nächsten Monat erste Details verkündet werden. Christian Horner, Chef vom Red-Bull-Team, gab in Monaco allerdings zu bedenken, dass, was auch immer dann präsentiert werde, zwischen den Teams noch viele Wochen und Monate nachverhandelt würde. "Irgendwas kommt im Juni. Das wird sich wieder ändern im September, Oktober, wahrscheinlich auch noch im November. In Kürze wird etwas vor uns liegen. Aber dann fängt der Spaß erst richtig an." Wichtig wäre vor allem, da herrscht Einigkeit, dass der Spaß irgendwann auf die Rennstrecke zurückkehrt. Der Tag wird kommen, an dem Kimi Räikkönen nicht mehr fährt.

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