Montagsinterview:"Es geht um Neuigkeiten pro Quadratmeter"

Montagsinterview: Daniel Grieder,  57,  stammt aus Schaffhausen in der Schweiz und studierte in Zürich. Seit 1997 ist er bei Tommy Hilfiger, wurde 2014 Chef. Hilfiger gehört mit Marken wie Calvin Klein und Speedo zum Phillips-Van-Heusen-Konzern. Grieder lebt am Wochenende in Zürich und hat zwei Kinder.

Daniel Grieder, 57, stammt aus Schaffhausen in der Schweiz und studierte in Zürich. Seit 1997 ist er bei Tommy Hilfiger, wurde 2014 Chef. Hilfiger gehört mit Marken wie Calvin Klein und Speedo zum Phillips-Van-Heusen-Konzern. Grieder lebt am Wochenende in Zürich und hat zwei Kinder.

(Foto: PR)

Daniel Grieder, der Chef von Tommy Hilfiger, spricht über das Ende der Mega-Shops, über Donald Trump, die Zukunft der Jeans und die Modebranche

Von Caspar Busse

Von seinem ziemlich großen Büro aus blickt Daniel Grieder aufs Wasser. Am ehemaligen Holzhafen in Amsterdam ist die Zentrale der Weltmarke Tommy Hilfiger. Es gibt hier Showrooms, Lounges mit Sofas und Tischtennisplatten, einen Fitnessclub. Tommy Hilfiger gründete die Firma 1985 in den USA und verkaufte sie 2005. Zuletzt stieg der Umsatz um zwölf Prozent auf 4,3 Milliarden Dollar, Deutschland ist einer der wichtigsten Märkte. Aber es lief nicht immer gut, es gab auch Krisen. Grieder ist einer der wichtigsten internationalen Modemanager.

SZ: Herr Grieder, Sie sind seit 35 Jahren in der Modebranche, ziemlich anstrengend und ungemütlich das andauernde Auf und Ab, oder?

Daniel Grieder: Nein, die Modebranche lebt, alles dreht sich, das ist doch etwas Schönes, und das fasziniert mich. So lange die Menschen Kleider tragen, wird auch die Modeindustrie funktionieren. Man muss nur verstehen, was der Konsument will, wo und wie er kauft. Dann kann eigentlich nichts passieren.

Klingt so einfach, aber die Bedingungen ändern sich doch andauernd.

Und das ist gut. Gerade geht es weg von stationären Geschäften hin ins Digitale, dafür muss man bereit sein. Wir planen eine Erhöhung des Onlineanteils an den Umsätzen auf 30 bis 40 Prozent in den nächsten Jahren. Man geht heute nicht mehr nur in einen Laden, um einzukaufen, sondern man will inspiriert werden. Es geht nicht mehr um Umsatz pro Quadratmeter, sondern um Neuigkeiten pro Quadratmeter.

Tommy Hilfiger hat 2000 Geschäfte. In New York haben Sie gerade Ihr größtes Geschäft geschlossen. Warum?

Wir glauben nicht mehr an die Flagship-Geschäfte, die 2000 Quadratmeter groß sind. Das ist vorbei und nicht mehr zeitgemäß. Die Kunden kommen in diese Läden und wissen gar nicht, wohin. Durch die Digitalisierung kann man heute auf kleinerem Raum viel mehr zeigen. Unser Geschäft der Zukunft hat drei Welten: Das traditionelle Geschäft, wo man schauen, anfassen, probieren und kaufen kann. Daneben zeigen wir auf großen Bildschirmen die Kollektion, es gibt nur noch Musterteile, denn wir können gar nicht alle Daunenjacken in allen Farben und Größen im Laden aufhängen. Und drittens sollen sich die Menschen einfach in unserem Laden aufhalten können, Kaffee trinken, arbeiten und reden.

Und was verkaufen Sie dann?

Kaffee und Kuchen (lacht). Wir wollen weiter Geschäfte in besten Lagen, aber deutlich kleinere, 300 Quadratmeter reichen heute. Die Kunden wollen etwas erleben und überrascht werden.

Heißt das, dass Sie künftig viele Standorte schließen?

Nein, das hängt aber von der Region ab. In Asien, besonders in China, werden wir ungebremst Läden eröffnen, auch in Amerika planen wir neue Läden, denn da haben wir derzeit die wenigsten. In Europa werden wir das bestehende Portfolio optimieren.

In den USA war Tommy Hilfiger zur Jahrtausendwende in einer tiefen Krise. Die Zentrale wurde dann 2006 von New York nach Amsterdam verlagert. Haben Sie das schon bereut?

Nein, wir sind jetzt in Amsterdam und damit im Zentrum der Welt, genau zwischen Asien und Amerika. Aber wir sind eine amerikanische Marke, und das wollen wir auch bleiben.

Das Image von Amerika in der Welt ist aber nicht mehr das beste, die Politik von Donald Trump verstört viele. Fürchten Sie, dass Tommy Hilfiger dadurch Schaden nimmt?

Wir hatten deshalb schon Sorge, aber es ist bislang absolut nichts passiert. Wir sind eine amerikanische Marke, aber wir sind nicht politisch engagiert, sondern losgelöst von der Politik. Auch auf Nachhaltigkeit legen wir großen Wert. Wir investieren viel in umweltfreundliche Produktion und in gerechtere Produktionsbedingungen, wir setzen uns bei unseren Produzenten für faire Bezahlung der Mitarbeiter ein.

Einige US-Marken hatten zuletzt große Probleme, zum Beispiel Hollister oder Abercrombie. Wie schafft man es, eine Marke lebendig und erfolgreich zu halten?

Die Marke muss einfach immer relevant bleiben, dabei setzen wir auf drei Dinge: Geschwindigkeit, Innovationen und Digitalisierung. Man kann heute nicht mehr zweimal im Jahr eine neue Kollektion bringen, und das war es dann. Tommy Hilfiger ist bereits viel schneller geworden. Heute können sie noch am Abend einer Modenshow unsere Kollektion bestellen, wir sind inzwischen schneller als Zara oder H&M.

Das heißt: Sie produzieren im Voraus und präsentieren dann die Kollektion. Das ist doch auch ein großes Risiko.

Das Risiko steigt, stimmt. Aber die Endkonsumenten entscheiden. Die wollen die Produkte sofort, die Welt hat sich eben geändert, wir müssen uns dem anpassen und sofort liefern. Aber wir produzieren auch nicht alles im Voraus, es gibt viele klassische Produkte, die wir immer im Programm haben. Gleichzeitig brauchen wir Innovationen - ins Produkt und in der Firma. Auf Digitalisierung haben wir früh gesetzt, zum Beispiel mit unseren digitalen Showrooms. Das ist eine Revolution in der Modewelt gewesen.

Sie präsentieren dabei die Mode den Einkäufern überwiegend auf großen Bildschirmen und nicht mehr als Musterteile. Wie viel haben Sie dadurch gespart?

Die Einsparungen sind nicht alles, wichtiger ist, dass das System nachhaltiger ist. Wir produzieren 80 Prozent weniger Musterteile, die wir auch nicht mehr durch die Welt fliegen müssen. Und wir werden schneller, die Übersichtlichkeit steigt.

Haben die Einkäufer das angenommen? Die sind doch sicher sehr konservativ.

Zu Beginn gab es natürlich Skepsis, einige waren unsicher. Am Ende aber sind alle voll überzeugt und wollen nur noch digital einkaufen. Inzwischen sind selbst die größten Skeptiker begeistert.

Hilfiger ist immer eine Marke für Etablierte gewesen, wie wollen Sie jüngere Kunden gewinnen?

Das stimmt ja nicht mehr. Gerade in den vergangenen Jahren sind wir bei den Jüngeren relevant geworden. Das Durchschnittsalter unserer Kunden ist in den vergangenen 24 Monaten um sieben Jahre gesunken, ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht. Unser Zielkonsument ist jetzt zwischen 20 und 35 Jahre alt. Unsere Jeans verkaufen sich gut, größere Logos sind wieder in, da kam vieles wieder, das hat uns unterstützt. Das Model Gigi Hadid und Formel-Eins-Weltmeister Lewis Hamilton werben für uns, unsere Werbekampagnen haben den Punkt getroffen.

Sie wollen einer der größten Jeans-Produzenten der Welt werden, die Verkäufe gehen aber weltweit zurück. Haben Jeans überhaupt eine Zukunft?

In der Modebranche geht es auf und ab, es gibt sieben gute und sieben schlechte Jahre. Aber es gibt keinen Grund, warum Jeans einmal out sein sollten. Jeans ist immer noch die Hose, die am einfachsten zu tragen ist. Als Tommy Hilfiger seine Firma gestartet hat, fing er mit Jeans an - genau wie mit den Poloshirts. Jeans haben Zukunft, auch bei jungen Leuten. Man braucht aber auch Innovationen. Was gestern gut war, ist heute vielleicht nicht mehr gut genug.

Jeans sind doch gleich Jeans.

Nein, nein, das fängt beim Fit und bei den Materialien an. Es gibt heute Stretch-Jeans, alle möglichen Passformen - und das Design ändert sich. Wir legen inzwischen auch Wert auf nachhaltige Jeans. Wenn man eine Jeans nach der Produktion wäscht, brauchte es dafür bis zu 100 Liter Wasser, das ist doch verrückt. Wir experimentieren damit, dass man Jeans nicht mehr wäscht, sondern lasert, also Waschen ohne Wasser. Das ist die Zukunft.

Es geht also weiter weg von Anzug, Hemd und Krawatte.

Schauen Sie doch mich an (steht auf und zeigt auf seine Jeans). Mit Jeans, Hemd und Sakko ist man doch immer gut angezogen.

Hilfiger will in den Sportbereich. Warum?

Der Markt für Sportartikel und -mode ist im Aufschwung, die Nachfrage ist groß. Unsere Marke Tommy hat etwas Sportliches, dafür stehen auch unsere Farben rot-weiß-blau, und die Leute warten auf etwas Neues. Wir haben jetzt mit Sportbekleidung angefangen, das kommt gut an. Bei Golf oder Tennis haben wir sicher eine Chance, das passt zu unserer Marke.

Aber das ist doch ein anderer Markt.

Wir haben Spezialisten aus der Sportbranche, da geht es auch um funktionelle Stoffe und Schnitte. Gerade im Sportbereich gibt es interessante Materialien. Wenn Sie fliegen, sehen Sie oft Menschen, die tragen Nike oder Adidas, einfach, weil es bequem ist. Da können wir lernen, ein Blazer aus leichtem, atmungsaktiven Material, der gut aussieht, wäre gut. Der Bereich wird in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen.

Sie haben da doch keine Chance gegen Adidas und Nike.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Adidas und Nike gehen doch auch in den Modemarkt. Aber wir werden natürlich nie größer werden als Adidas und Nike.

Gründer Tommy Hilfiger hat die Firma 2005 an Investoren verkauft. Wie groß ist noch sein Einfluss?

Tommy Hilfiger ist unser Chefdesigner, ich habe ihn vor sechs Jahren motiviert, wieder bei uns einzusteigen. Ich arbeite sehr gerne und sehr eng mit ihm, er ist mein bester Berater. Wir beflügeln uns gegenseitig. Tommy kommt mit Vorschlägen, mit Ideen, wir diskutieren, und er macht Öffentlichkeitsarbeit. Ich will sowieso im Hintergrund stehen. Wenn wir eine neue Kollektion haben, dann gehe ich zusammen mit ihm und mit dem Team durch den Showroom. Tommy sagt dann offen und ehrlich: Das ist gut, das hier kann man aber verbessern.

Gefällt ihm manchmal etwas gar nicht?

Ja klar (lacht). Er hat ein unglaubliches Auge. Aus seiner Sicht muss jedes Teil als Tommy-Teil erkennbar sein, es muss sich unterscheiden. Und da hat er auch recht, Modestücke, bei denen einfach das Etikett ausgewechselt werden kann, sind eben keine Tommy-Teile.

Poloshirt ist doch gleich Poloshirt.

Es geht um die kleinen Details, um das Innenleben. Ich kann Ihnen von jedem Modestück sagen, ob es von Tommy ist, auch wenn keine Etiketten mehr drin sind.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: