Misstrauensantrag gegen Kanzler Kurz:Das Dilemma der SPÖ-Chefin

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Parteivorsitzende auf Abruf: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. (Foto: Lisi Niesner/Reuters)

Pamela Rendi-Wagner hält in der österreichischen Regierungskrise alle Trümpfe. Das Problem ist nur: Egal, was sie nun tut, richtig machen kann sie es kaum.

Von Peter Münch, Wien

Dies ist die Stunde der Opposition in Österreich: Die Regierung ist gescheitert, das Kabinett auseinandergeflogen, und der Kanzler muss sich an diesem Montag im Parlament einem Misstrauensantrag stellen. Ziemlich viele Trümpfe sind das also, die Pamela Rendi-Wagner, Chefin der österreichischen Sozialdemokraten, derzeit in der Hand hält. Das Problem ist nur: Egal, was sie nun tut, richtig machen kann sie es kaum.

Denn die Wirren im Regierungslager haben auch Rendi-Wagner in ein strategisches Dilemma gestürzt: Sie hat sich am späten Sonntagabend gemeinsam mit dem Parteipräsidium dafür ausgesprochen, Sebastian Kurz mitsamt der ganzen Bundesregierung das Misstrauen auszusprechen. Nun wird man ihr vorhalten, dadurch das Chaos im Land vergrößert und die Appelle des Bundespräsidenten missachtet zu haben. Obendrein muss sie im Erfolgsfall mit der FPÖ gemeinsame Sache machen. Hätte sie auf den Versuch zum Kanzlersturz verzichtet, hätte sie erklären müssen, warum sie einen Kanzler stützt, den sie zuvor als "selbstverliebt, feige und arrogant" bezeichnet hat.

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Leicht ist es also nicht für die 47-Jährige, die Partei durch diese Klippen zu navigieren. Doch wer es leicht haben will, der wird auch nicht Vorsitzende der SPÖ. Erst im vorigen November ist sie an die Parteispitze gewählt worden, als erste Frau in der 130-jährigen Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Der Machtverlust im Jahr zuvor hatte die Partei in selbstzerstörerische Führungswirren und Intrigen gestürzt. Dass man sich dann einer gelernten Medizinerin anvertraute, unterstreicht die Hoffnung auf Heilung. Als strahlende Politik-Novizin sollte Rendi-Wagner der Arbeiterpartei, der viele Arbeiter längst schon in Richtung FPÖ davongelaufen sind, frische Kraft bringen. Ein wenig Stallgeruch vermittelt höchstens noch die Kindheit im Wiener Gemeindebau. Doch schon die Studien führten sie ins Ausland, in der Wissenschaft hat sie Karriere gemacht mit einer Promotion in Tropenmedizin und einer Habilitation zum Thema Impfschutz. Als ihr Mann 2008 als Österreichs Botschafter nach Israel entsandt wurde, forschte und lehrte sie an der Universität in Tel Aviv. Bei der Rückkehr nach Wien heuerte sie beim Gesundheitsministerium an, wo ihr politisches Talent entdeckt wurde.

Der Parteichefin fehlt es an Erfahrung - und an Hausmacht

Es folgte eine Blitzkarriere: Im März 2017 stieg sie als Quereinsteigerin zur Gesundheitsministerin auf. Erst da wurde sie auch Mitglied in der SPÖ. Das Regierungsamt ging wegen der Abwahl der Sozialdemokraten noch im selben Jahr verloren, doch nur gut 20 Monate nach ihrem Parteieintritt übernahm sie die Führung der SPÖ. Viel Zeit ist ihr da nicht geblieben, sich von der kompetenten Fach- zur Machtpolitikerin zu entwickeln. Als Oppositionsführerin im Parlament blieb sie bislang eher blass. In den politischen Ränkespielen, die in Wien mit abgründiger Hingabe gepflegt werden, wirkt sie oft verloren. Vor allem aber muss sie stets nicht nur den politischen Gegner im Blick behalten, sondern auch die mächtigen Männer im eigenen Lager. Die zeigen der Parteichefin immer wieder gern, dass es ihr nicht nur an Erfahrung, sondern genauso an Hausmacht fehlt.

Auch in den aktuellen Wirren ist es der SPÖ nicht gelungen, mit einer Stimme zu sprechen. Rendi-Wagner hatte ausgegeben, dass sich die SPÖ erst am Montagmorgen entscheiden werde, wie sie sich zum Misstrauensantrag gegen Kanzler Kurz verhält. Dagegen verkündete die interne Konkurrenz unter Verweis auf das "Stimmungsbild" in der Partei schon längst, dass man "nicht mehr zurück" könne. Die Chance, in dieser Krise der Regierung als Oppositionschefin Führungskraft zu zeigen, ist Pamela Rendi-Wagner damit von den eigenen Genossen genommen worden. Nach dem für die SPÖ enttäuschenden Ergebnis bei der EU-Wahl muss sie nun sogar mit einer neuen Führungsdebatte rechnen.

© SZ vom 27.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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