Während Union und SPD bei der Europawahl so wenig Stimmen bekommen haben wie nie zuvor, sieht es für die Grünen so aus, als wären sie auf dem Weg zu einer Volkspartei. Darauf deutet eine Wahlanalyse der Forschungsgruppe Wahlen hin, die mehr als 1000 Wahlberechtigte befragt hat. Und das gilt auch außerhalb von Baden-Württemberg, wo sie bereits den Ministerpräsidenten stellen.
Nicht nur stoßen die Grünen insgesamt schon auf eine größere Zustimmung in der Bevölkerung als die SPD. In einigen Großstädten liegt die Partei vor den Sozialdemokraten und der Union. In München, Hamburg und Frankfurt am Main etwa konnten die Grünen mehr als 30 Prozent der Stimmen holen, in einigen Müncher Stadtbezirken offenbar sogar mehr als 40 Prozent.
Die Partei, die bislang eher auf jüngere Wählerinnen und Wähler setzen konnte, ist nun auch bei Älteren beliebter als die Konkurrenz. So fielen nicht nur fast 30 Prozent der Stimmen der unter 30-Jährigen auf die Grünen. Die Partei kommt außerdem bei allen Wählern unter 45 Jahren auf mehr Stimmen als CDU/CSU.
Seniorenparteien CDU und CSU
Die Union dagegen erweist sich einmal mehr als Partei der Älteren: 39 Prozent der Wähler im Alter von mindestens 60 Jahren stimmten für sie. Für die Grünen stimmten lediglich 13 Prozent der Älteren - wobei dieser Wert im Vergleich zu früher ebenfalls eine deutliche Verbesserung ist. Auch die SPD findet deutlich mehr Zustimmung in der älteren Generation als bei den Wählern unter 60.
Das Ansehen der Grünen insgesamt spricht ebenfalls dafür, dass sie sich zu einer Volkspartei entwickeln. Auf einer Beliebtheitsskala von -5 bis +5 kommen sie auf 1,2 und liegen damit inzwischen gleichauf mit der CDU. Und für 52 Prozent der Befragten insgesamt steht die Partei heute für eine "moderne, bürgerliche Politik".
Auffällig ist die Zustimmung, die die Grünen besonders bei Frauen findet. Während bei Union, SPD, Linken und FDP die Anteile der Stimmen von beiden Geschlechtern jeweils fast gleich waren, zeigten sich bei den Grünen (aber auch bei der AfD) deutliche Unterschiede. So wählten nur 18 Prozent der Männer die Grünen, aber 24 Prozent der Frauen. Für die Rechten stimmten immerhin 13 Prozent der männlichen Wähler, der Anteil der Frauen war nur etwa halb so groß. Im Osten wählten etwa gleich viele Männer die AfD wie die CDU.
Bildung und Beruf spielen eine große Rolle
Bildung und Beruf spielen bei der Parteienpräferenz ebenfalls eine große Rolle - was die Rolle der Grünen als Volkspartei etwas relativiert. So wählten diejenigen mit Hauptschulabschluss oder Mittlerer Reife besonders häufig die Union, Hochschulabsolventen und jene mit Hochschulreife stimmen vor allem für die Grünen.
Und während die SPD früher als Partei der Arbeiter galt, stimmen aus dieser Gruppe deutlich mehr für die Union. Die Grünen dagegen wurden eher von Beamten, Selbstständigen und Angestellten gewählt - allerdings jeweils immer noch weniger häufig als die Union. Ungefähr ein Drittel der Beamten und Selbstständigen gaben ihr die Stimme. Die AfD dagegen, die zumindest vorübergehend als Professorenpartei galt, findet die meiste Zustimmung unter Arbeitern.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels waren Zahlen verwendet worden, die die Forschungsgruppe Wahlen und das ZDF im Laufe des Abends korrigiert haben.