Europawahl:Liberale bleiben hinter eigenen Erwartungen zurück

Europawahl - Berlin FDP

Nicola Beer, Spitzenkandidatin der FDP, und Christian Lindner, FDP-Chef, reagieren nach der Europawahl auf die erste Prognose.

(Foto: Carsten Koal/dpa)
  • Die FDP hat der Prognose und ersten Hochrechnungen zufolge bei der Europawahl 5,5 Prozent erzielt.
  • Damit bleiben die Liberalen hinter ihren eigenen Erwartungen zurück, nicht nur auf der Berliner Wahlparty herrscht Enttäuschung.
  • Eine Überraschung ist das Ergebnis nicht: Spitzenkandidatin Beer ist selbst in der Partei unbeliebt, der Wahlkampf als moderne pro-europäische Partei hat nicht verfangen und auch das Werben mit der EU-Liberalen Vestager überzeugte nicht.
  • Zumindest das Bremer Ergebnis hebt die Stimmung: Mit sechs Prozent ist der Wiedereinzug in die Bürgerschaft geschafft.

Von Daniel Brössler, Berlin

Die Musik spielt anderswo. Das merken sie schnell, die Liberalen, die sich im Berliner Hans-Dietrich-Genscher-Haus versammelt haben. Ein paar hundert Meter weiter nur, im Garten der Heinrich-Böll-Stiftung, gibt es wirklich was zu feiern: Da steigt die Wahlparty der Grünen. Als aber bei der FDP die erste Prognose auf der Großleinwand erscheint, quittieren die Liberalen das eigene Ergebnis mit Schweigen. 5,5 Prozent für die FDP bei der Europawahl - das ist nicht gut. Und würden die Zahlen noch weiter sinken im Laufe des Wahlabends, das wissen hier alle, dann wäre das sogar richtig schlecht.

Als dann die erste Prognose aus Bremen kommt, kommt doch noch so was wie Jubel auf. Sechs Prozent für die FDP - damit wäre der Wiedereinzug in die Bürgerschaft klar geschafft. Das immerhin hebt die Stimmung. Seit dem Wiedereinzug in den Bundestag 2017 lautet das Mantra in der FDP Stabilität. Stabile Umfragewerte weit genug über der Fünf-Prozent-Hürde seien mehr wert als kurzlebige Höhenflüge, predigte Parteichef Christian Lindner. Die Parole hatte verfangen. Zumindest bis zu diesem Wahlabend.

"Wir sind heute Abend kein großer Wahlgewinner, aber wir sind ein kleiner Wahlgewinner", versucht Lindner das Europa-Ergebnis halbherzig schönzureden, als er vors Parteivolk tritt. Im Vergleich zur vorigen Europawahl habe man immerhin eine Million Stimmen hinzugewonnen. Die erhoffte Verdreifachung des Ergebnisses aber habe man verfehlt. Warum man hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben sei, werde man nun analysieren.

Vor ein Rätsel stellt das schwache Abschneiden bei der Europawahl die Partei aber nicht wirklich. Die FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer hatte ihren Wahlkampf mit der Bürde bemerkenswerter Unbeliebtheit in der eigenen Partei bestreiten müssen. Mit miserablen 58,6 Prozent war sie im April zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt worden - zur Strafe, weil sie die bisherige Amtsinhaberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann von ihrem Posten verdrängt hatte.

Nicht verfangen hatte überdies offenbar ein Wahlkampf, der die Partei als moderne, technikaffine pro-europäische Partei zu präsentieren versucht hatte.

Umso wichtiger ist für die Liberalen das Resultat in Bremen. Lindner schickt denn auch eine "herzliche Gratulation" zur dortigen Spitzenkandidatin Lencke Steiner. Vor vier Jahren war die Wahl in Bremen eine wichtige Etappe gewesen auf dem Weg zur politischen Wiederauferstehung. Der damals 29-jährigen Seiteneinsteigerin Steiner gelang es damals, die FDP mit 6,6 Prozent der Stimmen zurück in die Bürgerschaft zu führen. Steiner, die erst am Wahlabend in die FDP eintrat, sprach damals nicht ganz zu Unrecht von einer "Sensation". Nicht nur hatte sie das Resultat der Liberalen in Bremen verdreifacht, sie gab auch der seit 2013 außerparlamentarischen Bundespartei Hoffnung.

Im Februar war den Hamburger Liberalen die Rückkehr in die Bürgerschaft gelungen, nun sah es schon fast nach einem Trend aus. Wäre die FDP nun wieder aus der Bürgerschaft geflogen, hätten die Liberalen fürchten müssen, dass auch das wieder einen Trend begründet.

Die Europawahl vor fünf Jahren wiederum hatte die FDP noch tief im Jammertal erwischt. Sie kam auf 3,4 Prozent, womit sie noch deutlich unter jenen 4,8 Prozent blieb, mit denen sie im Jahr zuvor an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl gescheitert war. Nur dem Umstand, dass es eine solche Hürde bei der Europawahl nicht gibt, verdankte sie den Einzug mit drei Abgeordneten. Nun sind es gerade einmal zwei, bestenfalls drei mehr.

Im Wahlkampf hatte die FDP gerade zuletzt damit punkten wollen, Teil eines großen Bündnisses mit der Renaissance-Bewegung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu sein - und somit den CSU-Mann Manfred Weber als EU-Kommissionspräsidenten verhindern zu können. Wer zum Beispiel Grüne wähle, wähle hingegen womöglich Weber. Die grüne Spitzenkandidatin Ska Keller habe das doch schließlich nicht ausgeschlossen. Eine Stimme für die FDP, behaupteten die Liberalen, sei hingegen eine Stimme für die bisherige Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aus Dänemark. Was das betrifft, können die Freien Demokraten immerhin noch hoffen.

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