Fußball: Confed-Cup:Arbeiten für ein wenig Glück

Als Trainer der irakischen Nationalmannschaft scheint der serbische Globetrotter Bora Milutinovic genau der Richtige - mit politischer Zerrissenheit kennt er sich aus.

Ronny Blaschke

Er könnte nun schwärmen, stundenlang. Über die Teams, die er betreut hat, die Länder, die er bereist hat, die Menschen, die ihn bewundert haben. Er könnte betonen, dass ihn nichts mehr überrasche. Doch Bora Milutinovic wirkt verlegen, fast schüchtern, als er sagt: "Es ist eine Ehre, diese Arbeit leisten zu dürfen." Seine Stimme ist brüchig, leise. "Diese Tage gehören zu den eindrucksvollsten meiner Karriere." Milutinovic wird bald 65, das Haar ist ergraut, das Gesicht voller Furchen, doch er vermittelt den Eindruck, als würde seine Karriere am Anfang stehen. "Ich fühle mich wie ein Junge."

Fußball: Confed-Cup: Der Serbe Bora Milutinovic hat auf der ganzen Welt gearbeitet. Nun ist er Trainer der Auswahl Iraks, einem Team mit Spielern aus vielen religiösen und ethnischen Gruppen.

Der Serbe Bora Milutinovic hat auf der ganzen Welt gearbeitet. Nun ist er Trainer der Auswahl Iraks, einem Team mit Spielern aus vielen religiösen und ethnischen Gruppen.

(Foto: Foto: AP)

Wenn früher Fußball lief und der Fernseher lange genug angeschaltet blieb, war irgendwann ein kleiner Mann zu sehen, Wuschelfrisur, überdimensionierte Brillengläser - das war Milutinovic, und man wusste, die nächste Weltmeisterschaft steht an. Fünf Mannschaften betreute der Serbe während einer WM: Mexiko, Costa Rica, USA, Nigeria, China. Nun ist er mit der Auswahl des Irak beim Confed-Cup, es ist das Vorspiel zur WM 2010, und die Aufgabe ist Milutinovic wichtiger als viele zuvor: "Es geht nicht um Titel, es geht darum, Spieler und Fans ein wenig glücklicher zu machen."

Mit Bodyguards durch Bagdad

Im April erhielt er das Angebot von einem Verband, der sein Fundament verloren hat, zermürbt von Krieg und Terror. Die Mannschaft des Irak muss ihre Heimspiele in der Fremde austragen, das hat die Fifa angeordnet. Der vierte Platz bei Olympia 2004 in Athen und der Gewinn der Asien-Meisterschaft 2007 sind verblasst. Nach dem Verbandschef wurde im Ausland gefahndet, wegen Korruption und Bestechung. In der WM-Qualifikation ist der Irak schon gescheitert, es bleibt bei bislang einer Endrunden-Teilnahme, 1986 in Mexiko. Milutinovic soll das Unerträgliche erträglicher gestalten, er ist der sechste Trainer in sieben Jahren. "Am Anfang fühlte ich mich hilflos", sagt er. Mit zehn Personenschützern reiste er durch Bagdad, um sich ein Bild zu machen.

Fußball im Irak kann lebensgefährlich sein. Kinder und Jugendliche bolzen auf Straßen, Höfen, Feldern. Im März wurde ein 18 Jahre alter Spieler von einem suspendierten Polizisten erschossen. Maskierte Täter, Granaten, Hinrichtungen, Entführungen sind Teil des irakischen Sports. Milutinovic grübelte, zur Ablenkung ging er in die serbische Botschaft, spielte Schach, aufgeben wollte er nicht. "Die Arbeit ist für ihn das wichtigste", sagte Sunil Gulati, Präsident des US-Verbandes und ein Freund von Milutinovic, der New York Times: "Der Ort war nie ausschlaggebend."

Ein irakisches Multikulti-Team

Die Nationalmannschaft lernte Milutinovic in Katar kennen, wo viele Spieler unter Vertrag stehen. Er machte von jedem ein Foto, um sich die Gesichter zu merken. Er spricht Spanisch, ein Dolmetscher übersetzt in Arabisch. Allmählich findet er Zugang, doch alle Geschichten erzählen sie ihm nicht. Der älteste Sohn von Saddam Hussein, Udai, war der mächtigste Mann des Sports. Er ließ Athleten foltern, wenn sie ihm nicht gut genug waren. Udai Hussein ist seit sechs Jahren tot, vieles hat sich verbessert, der Weg zur Normalität aber ist weit. Milutinovic und sein Team wollen an diesem Mittwoch gegen Spanien zeigen, dass der Irak andere Maßstäbe kennt als die Gewalt. Diese Mannschaft will ein Beispiel geben, da Christen, Schiiten, Kurden und Sunniten in ihr zusammenspielen.

Milutinovic könnte nun sagen, wie ihn die vielen Sicherheitsleute nerven, die Polizei, das Blaulicht. "Warum?", sagt er, "ich fühle mich mit den Irakern verbunden." Er ist aufgewachsen in Jugoslawien - den Bruch einer Gesellschaft hat er schon einmal erlebt.

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