Meteoriten:Flugzeuge unter Meteoritenbeschuss

Ein Meteorit, der ein Flugzeug abschießt? Nüchterne Rechnungen zeigen, dass schon zentimeterkleine Brocken eine Gefahr sein können.

Axel Bojanowski

Die Erde steht unter Dauerbeschuss: Täglich prasseln 100 Tonnen Körnchen aus dem All auf den Planeten, darunter etwa 25 größere Klumpen, die oft als Sternschnuppen verglühen. Die meisten Meteoriten gehen über dem Meer oder unbewohntem Land nieder; drei kilogrammschwere Brocken fallen jährlich im Schnitt auf Deutschland. Dieses Bombardement könnte auch eine Gefahr für die Luftfahrt sein, argumentieren nun Wissenschaftler. Laien mag die Annahme bizarr erscheinen: Ein Meteorit, der ein Flugzeug abschießt? Nüchterne Rechnungen der Wissenschaftler zeigen jedoch, dass Meteoriten durchaus eine Gefahr für Flugzeuge sein können.

Regelmäßig werden Menschen Zeugen von Beinahe-Katastrophen. Im November 2008 prasselten Hunderte glühende Steine in die Wildnis Westkanadas. Im September 2007 rammte ein Klumpen einen 14-Meter-Krater in ein peruanisches Bergdorf. Am 25. November 2004 verglühte ein wasserballgroßer Meteorit kurz vor dem Einschlag über dem Ruhrgebiet, im Juni 2004 war ein 1,3 Kilogramm schwerer Brocken in ein Haus in Neuseeland eingeschlagen. Im März 2003 beschädigte ein Steinschauer Gebäude in Chicago. Im April 2002 zerplatzte der Neuschwanstein-Meteorit in 22 Kilometern Höhe und ließ bei Füssen Steinchen regnen. Vier Monate zuvor war der Britin Siobhan Cowton auf der Straße in Northallerton ein faustgroßer Brocken vor die Füße gefallen.

Einige größere Bomben aus dem All sind in den vergangenen Jahrzehnten knapp an der Erde vorbeigeschrammt. Am 10. August 1972 schoss ein Tausende Tonnen schwerer Brocken am blauen Himmel über Nordamerika hinweg. Auch der vier Tonnen schwere Allende-Meteorit, der am 8. Februar 1969 über Mexiko zerplatzte und einen Steinregen zur Erde sandte, verletzte wie durch ein Wunder keinen Menschen. Alle paar hundert Jahre trifft nach Berechnungen von Astronomen ein Meteorit von mehr als 200 Metern Dicke die Erde.

Alle 30 Jahre ein Zusammenstoß?

Um ein Flugzeug zu beschädigen, genügen weitaus kleinere Objekte. Bereits ein zentimeterkleiner Meteorit könne aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit von Hunderten Metern pro Sekunde "schweren Schaden" an Flugzeugen anrichten, sagt Arcadio Poveda, ein renommierter Astronom an der Universität UNAM in Mexiko-Stadt. Povedo hat das Risiko eines solchen Ereignisses in einer Studie berechnet: Alle 30 Jahre treffe ein Zentimeter-Meteorit ein Flugzeug, schreibt Povedo in einer Arbeit, die vor zehn Jahren im angesehenen Fachblatt Planetary and Space Science erschien. Ein fünf Zentimeter großer 100-Gramm-Klumpen kollidiert demnach alle 1800 Jahre mit einem Flugzeug.

Seine Berechnungen fußen auf offiziellen Angaben über die Häufigkeit von Flügen und Meteoriten aus den 1990er Jahren. Die Zahlen seien allerdings ungenau, räumt Povedo ein. Insbesondere müsste genauer untersucht werden, wie sich Meteoriten in der Luft verändern. In der Atmosphäre werden sie von ihrer kosmischen Geschwindigkeit von 7000 Kilometer pro Stunde auf einige hundert km/h abgebremst; viele Brocken zerplatzen. Wie schnell ein Meteorit in der Flughöhe von Passagiermaschinen rase, sei unklar, so Herbert Palme, Astronom am Senckenberg-Institut. Ein Unsicherheitsfaktor, denn die Schwere des Schadens hängt von der Wucht des Aufpralls ab.

Auch David Helfand, Astronom an der Columbia University, hat das Risiko berechnet. Wie groß, so fragte er sich, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Meteorit im Laufe der Geschichte der zivilen Luftfahrt einen Flugzeugtank zerstört hat? Helfand legte seinen Berechnungen die Gesamtzahl von knapp 100 Millionen Flugstunden pro Jahr, Flugzeuggrößen und die Anzahl von Meteoriten zugrunde. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalls betrage "eins zu zehn" dafür, dass es eine Verkehrsmaschine schon einmal getroffen haben könnte, sagt Helfand.

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