Musiklokal "Troubadour":Wo Elton John in einer Nacht zum Star wurde

Outside the Troubadour for Carly Rae Jepsen Emotion album release party at The Troubadour on August

Ohne VIP-Bereich und sonstige Sperenzchen: das Troubadour in L.A.

(Foto: Imago)

Und das nicht nur, weil er auf dem Klavier einen Handstand machte. Zu Besuch im "Troubadour", einer Kneipe für Musikfans. Nicht mehr und nicht weniger.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer einem sofort auffällt an diesem Samstagabend im "Troubadour": der zwölf Jahre alte Junge mit den schwarzen Stachelhaaren und den grünen Ohrringen direkt vor der Bühne. Teenage-Bottlerocket-Sänger Ray Carlisle fordert auf der Bühne gerade recht rabiat, dass nun, kurz vor Mitternacht, gefälligst alle rotzbesoffen zu sein hätten. Der Junge versichert sich mit einem kurzen Blick bei seinem Vater, dass er mit dieser Aufforderung zur Trunkenheit nicht gemeint sei, dann nimmt er Anlauf und hüpft gegen einen Typen, der vorsichtigen Schätzungen zufolge doppelt so groß ist wie er und achtmal so viel wiegt.

Anders gesagt: Man kann nicht sein Leben lang die Sequenzen von Led-Zeppelin-Trommler John Bonham studieren, sämtlichen Freundinnen stolz Metallica-Korn-Pearl-Jam-Mixtapes schenken und Lou Reed, Stevie Nicks und Grace Slick verehren und dann nicht verzaubert sein von dieser Kneipe auf dem Santa Monica Boulevard in West Hollywood, die noch immer so aussieht wie bei der Eröffnung vor mehr als 60 Jahren: Die Leute an der Bar trinken Flaschenbier oder Whiskey für jeweils sechs Dollar, es riecht nach Alkohol, Marihuana und Schweiß, und auf der Bühne brüllt sich einer zur Halsmuskelzerrung. Wer nicht weiß, welche Künstler außer Elton John im Troubadour entdeckt worden sind, dem sei aus Platzgründen die Internetseite der Kneipe empfohlen. Vielleicht lieber ein paar Anekdoten: John Lennon und Harry Nilsson flogen 1974 raus, weil sie die Band auf der Bühne (die Smothers Brothers) beleidigt hatten. Brian Wilson schmetterte im Bademantel völlig zugedröhnt das Lied "Be-Bop-A-Lula". Und ja, auch dies: Janis Joplin feierte hier in der Nacht vor ihrem Heroin-Tod.

Wer von diesen Abenden berichtet - es gibt wenige Fotos und noch weniger Videos, es waren andere Zeiten -, der erzählt immer auch ein bisschen von sich selbst. John Hilburn zum Beispiel, damals Popkritiker der Los Angeles Times, sagt über den Auftritt von Elton John am 25. August 1970: "Nach zehn Minuten habe ich gedacht: Ach du Scheiße, was für eine Katastrophe!" Er habe befürchtet, dass die Karriere des jungen Briten nach diesem ersten Konzert in den USA vorbei sein würde, es habe ihm leidgetan, weil er die Musik gemocht habe: "Dann haut er seinen Stuhl um, macht einen Handstand auf dem Klavier und Sperenzchen wie Jerry Lee Lewis - und wird innerhalb einer Nacht von einer Nullnummer zum größten Popstar der Welt. Es war der Beginn einer gegenseitigen Liebesbeziehung."

So müssen diese Geschichten erzählt werden, immer ein bisschen mehr Gefühl als Fakten, und deshalb ist es auch in Ordnung, dass einem diese Frau mit den langen blonden Haaren an der Bar im Troubadour versichert, dass sie gerade ihren 45. Geburtstag gefeiert, dieses erste Konzert vor 49 Jahren aber auch erlebt habe. Sie berichtet von wilden Nächten im "Whisky a Go Go", nur ein paar Minuten entfernt auf dem Sunset Boulevard. Oder davon, dass sie im "Rainbow Bar and Grill" gleich nebenan mit Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister literweise Whiskey gesoffen und ein bisschen Geld am Videopoker-Automaten gewonnen habe.

Heute ist ein gepflegter Instagram-Account oder eine Star-Fehde auf Twitter der Karriere dienlicher als ein Auftritt in einer dieser Kneipen. Trotzdem hat Teenage-Angst-Popstar Noah Cyrus, Tochter von Billy Ray und Schwester von Superstar Miley Cyrus, ihre Karriere als Headlinerin im vergangenen Jahr hier gestartet. Und die britische Popsängerin Jessie J hat kürzlich ihr neues Album im Troubadour vorgestellt.

Es fallen einem übrigens noch ein paar Dinge auf an diesem Samstagabend im Troubadour: Es gibt weder Schnickschnack noch Schickimicki, keinen VIP-Bereich und keine aufwendige Lichter- oder gar Lasershow. Kaum jemand steht mit gezücktem Handy herum und filmt die Bands oder sich selbst. Es scheint hier wirklich nur darum zu gehen, die Musik zu erleben, die auf der Bühne gespielt wird.

Das Troubadour ist eine Kneipe für Musikfans, nicht mehr und nicht weniger, und wer weit nach Mitternacht vom Troubadour zum Sunset Boulevard läuft, der denkt, dass das gerne so bleiben darf. Vor dem Whisky a Go Go lehnt Porno-Darsteller Ron Jeremy an einer Wand und wird von niemandem beachtet. Im "Viper Room" feiern sie das Finale des "Wacken Metal Battle". Nur Lemmy Kilmister, der fehlt schon arg, man würde ihn jetzt gern auf ein paar Liter Whiskey am Videopoker-Automaten im Rainbow treffen.

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