Kommentar:Finale ohne Fans

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Das Endspiel von Baku ist auf mehreren Ebenen das erwartete Desaster. Die Uefa zeigt, dass die Anhänger im Stadion egal sind.

Von Martin Schneider

Gab es auch gute Nachrichten zu diesem auf so vielen Ebenen furchtbaren Finale in Baku? Ja. Und sie hatten wie so oft in dieser Europa-League-Saison mit Eintracht Frankfurt zu tun. Deren Fans mussten die Eintrittskarten für das Endspiel ordern, bevor sie wussten, ob ihr Verein es dahin schafft. Als klar war, dass nicht, verschenkten sie ihre Karten an ein SOS-Kinderdorf in Baku. Am Mittwoch hielten die Kinder ein Transparent mit dem Eintracht-Wappen in eine Kamera: "Danke, dass ihr unsere Freunde seid", stand da.

Ein schönes Bild mit dem Schönheitsfehler, dass es vielleicht das einzige schöne Bild war. Man weiß ja gar nicht, was man vom Rest alles aufzählen soll. Ein Ausschnitt: Die beiden Final-Teilnehmer bekamen nur je 6000 Karten für ihre Anhänger bei einem Stadion, in das 69 000 Zuschauer passen. Die 4000-Kilometer-Anreise nach Baku war aber so aufwendig, dass nur 3500 Arsenal und 1500 Chelsea-Fans Karten haben wollten. Die restlichen Tickets waren so teuer, dass die meisten Menschen vor Ort sie sich nicht leisten konnten und geschätzt ein Drittel des Stadions leer blieb. Und die lokale Anstoßzeit war 23 Uhr, damit der europäische Fernsehzuschauer das Spiel um 21 Uhr gucken konnte. Das zusammen ergibt schon ein Finalstadion, das es Fußball-Fans maximal schwer machte, ein Finale im Stadion zu sehen. Und dann hat man noch gar nicht über die autokratische Politik gesprochen.

Aserbaidschan liegt in der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen auf Rang 166 von 180, Menschenrechtsorganisationen fällen ein verheerendes Urteil. Der Armenier Henrikh Mkhitaryan verzichtete auf eine Teilnahme aus politischen Gründen, Polizisten kontrollierten Arsenal-Fans, die sein Trikot trugen. Und dass der europäische Fußballverband Uefa Arsenal-Spielern untersagte, beim Warmmachen das Leibchen ihres abwesenden Teamkameraden zu tragen - damit rechnete man ja schon. Warum dann Baku? Nun: Das staatliche Energieunternehmen Socar ist einer der größten Uefa-Sponsoren, und 2020 werden bei der paneuropäischen Europameisterschaft im vorderasiatischen Aserbaidschan drei Spiele und ein Viertelfinale stattfinden. Der Uefa möchte man zurufen: Wenn euch bei der Vergabe von Fußballspielen alles egal ist, dann müsst ihr auch nicht mehr so tun, als würde der Fan im Stadion noch eine Rolle spielen. Dann baut einen Platz, Kamerapodeste drumherum, ein paar Plätze für VIP-Gäste, und den Rest kann man mit Sponsorenbanden zuhängen.

Wer das für übertrieben hält: Als in Baku Chelsea den Pokal überreicht bekam, waren um 1 Uhr Ortszeit kaum noch Zuschauer im Stadion. Es waren da: Kameras, VIP-Gäste und Sponsorenbanden.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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