Klausur in Berlin:Der CDU fehlen die Umweltpolitiker

Europaforum des WDR

Annegret Kramp-Karrenbauer, mittlerweile seit einem halben Jahr CDU-Vorsitzende.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Die CDU-Spitze kommt zu einer zweitägigen Klausur zusammen.
  • Die Partei ist bei der Europawahl auch wegen erheblicher Defizite in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik eingebrochen.
  • Marie-Luise Dött statt Klaus Töpfer: Der CDU fehlt es nicht nur an einem klaren Kurs - sie hat auch keine profilierten Umweltpolitiker mehr.

Von Robert Roßmann, Berlin

Zumindest eine gute Nachricht hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in dieser Woche doch erhalten. Am Dienstagnachmittag ploppte auf ihrem Smartphone die Nachricht auf, dass ihr Generalsekretär Paul Ziemiak Vater einer gesunden Tochter geworden ist. Ansonsten hat die Parteivorsitzende aber die schwerste Woche ihrer Amtszeit hinter sich. Der Einbruch der CDU bei der Europawahl, mehrere Fehler Kramp-Karrenbauers im Wahlkampf und ihre Äußerungen über Youtuber haben die Partei derart aufgewühlt, dass einige bereits die Frage stellen, ob Kramp-Karrenbauer tatsächlich die beste Kandidatin für die Nachfolge Angela Merkels im Kanzleramt ist. An diesem Sonntag kommen Präsidium und Vorstand der Partei zu einer Klausur zusammen, um über die neue Lage zu beraten. Für die Vorsitzende dürften das keine einfachen Stunden werden.

Managerposten frei

Auf der Klausur sollte auch ein Nachfolger für den scheidenden Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler festgelegt werden. Als Favorit galt Nico Lange, der engste politische Vertraute Kramp-Karrenbauers. Allerdings gibt es Unmut über ihn - unter anderem wegen einer Analyse, in der er einen vermeintlichen Rechtsruck bei der Jungen Union für die Wahlniederlage mitverantwortlich gemacht hatte. Daher wird die Entscheidung verschoben. Robert Roßmann

In der zweitägigen Klausur wird es natürlich auch um die Analyse des Wahlergebnisses gehen. Die CDU ist am vergangenen Sonntag bei den jüngeren Wählern auch wegen erheblicher Defizite in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik eingebrochen. Das sieht die Partei inzwischen selbst so. Bereits in der ersten Wahlanalyse der CDU-Zentrale, die noch am späten Sonntagabend an alle Vorstandsmitglieder gemailt wurde, hieß es, die Bedeutung des Themas Klimaschutz sei im Wahlkampf stetig angestiegen - "bis hin zur Themendominanz direkt vor dem Wahltag". Auch davon hätten die Grünen stark profitiert.

Mike Mohring beschreibt das Dilemma der CDU

Für Kramp-Karrenbauer ist das gleich aus mehreren Gründen ein kaum zu lösendes Problem. Zum einen ist ihre Partei in Fragen des Klima- und Umweltschutzes tief gespalten, wie die Auseinandersetzung um die Einführung einer nationalen CO₂-Steuer im Wahlkampf gezeigt hat. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, er ist auch Stellvertreter Kramp-Karrenbauers im Bundesvorsitz, zeigte sich offen für eine derartige Steuer. Andere wie Carsten Linnemann, der Chef des Wirtschaftsflügels, lehnen sie dagegen vehement ab. Noch ist nicht absehbar, wie Kramp-Karrenbauer die unterschiedlichen Positionen zusammenführen kann. Ohne neuen Streit wird das jedenfalls nicht gelingen.

Außerdem wird im Herbst in drei ostdeutschen Ländern gewählt. Dort steht - das hat die Europawahl gezeigt - der Klimaschutz nicht so weit oben auf der Agenda wie im Westen der Bundesrepublik. In Sachsen und Brandenburg wurde die AfD stärkste Partei, in Thüringen landete sie auf dem zweiten Platz. Die im Westen enorm starken Grünen kamen dort nur auf 8,6 bis 12,3 Prozent. Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat das Dilemma seiner Partei ziemlich klar beschrieben: Im Westen hätten viele in der Hoffnung auf eine ambitioniertere Klimaschutzpolitik die Grünen gewählt. Im Osten hätten sich dagegen aus Sorge vor einer solchen Politik und ihren Auswirkungen - etwa auf die Arbeitsplätze - viele Bürger für die AfD entschieden. Was soll die CDU in dieser Lage machen?

Statt Merkel und Töpfer gibt es jetzt eine Marie-Luise Dött

Zu all dem kommt verschärfend hinzu, dass der CDU profilierte Umweltpolitiker fehlen. In kaum einen Bereich ist die Partei personell derart ausgedünnt wie in diesem. Das war nicht immer so: Von den bisher neun Bundesumweltministern stellte die CDU fünf - unter ihnen der spätere Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, und die heutige Bundeskanzlerin. Merkel trat bei den UN-Klimakonferenzen 1995 und 1997 auch aus Sicht vieler Umweltschützer noch als Kämpferin für den Klimaschutz auf. Auch Norbert Röttgen mühte sich als Bundesumweltminister redlich. Und Peter Altmaier machte in dem Ressort zumindest viel Wind. Doch seit Ende 2013 sitzen Sozialdemokratinnen an der Spitze des Umweltministeriums.

Auch in den Bundesländern sieht es für die CDU trist aus. Die Partei besetzt nur noch in zwei der 16 Länder das Umweltressort - in Sachsen und in Nordrhein-Westfalen. In der Unionsfraktion im Bundestag gibt es sogar überhaupt keinen profilierten und herausgehobenen Umweltpolitiker der CDU mehr. Der zuständige Fraktionsvize Georg Nüßlein ist CSU-Mitglied. Und der umweltpolitischen Sprecherin der Unionsfraktion, Marie-Luise Dött, tritt man nicht zu nahe, wenn man feststellt, dass sie nicht zu den bekanntesten Politikern des Landes gehört.

Für größeres Aufsehen sorgte Dött bisher nur einmal: Im Jahr 2010 bezeichnete sie auf einer Veranstaltung, bei der auch ein bekannter Klimawandel-Leugner auftrat, einige Ausprägungen des Klimaschutzes als "Ersatzreligion". Später rechtfertigte sie sich mit der Bemerkung: "Den Begriff ,Ersatzreligion' verwende ich grundsätzlich zur Charakterisierung derjenigen, die versuchen, dem Klimaschutz ein Politikprimat zu geben und ihn zum alleinigen Maßstab von Energiepolitik zu machen." Die Unionsfraktion distanzierte sich damals von Dötts Äußerungen, die SPD forderte sogar ihre sofortige Ablösung als umweltpolitische Sprecherin.

Jetzt sollen es Abgeordnete wie Rüdiger Kruse richten

Auf die Frage, warum die CDU in der Klimafrage weder Konzepte noch Köpfe habe, sagte Kramp-Karrenbauer bereits Mitte Mai in einem Interview mit der Welt am Sonntag: "Als jahrelange Regierungspartei hat die CDU einen starken Fokus auf die Tagesgeschäfte gelegt und sich zudem immer wieder mit Krisen beschäftigen müssen - denken Sie nur an die Finanzkrise!"

Wie arg es bei diesem Thema um die CDU steht, offenbarte Kramp-Karrenbauer eher ungewollt. Auf die Bitte, profilierte Umweltpolitiker aufzuzählen, nannte sie in dem Interview erst den ziemlich unbekannten Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse. Dann zählte sie, nachdem ihre Sprecherin ihr einen Zettel zugeschoben hatte, noch Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und einen thüringischen Landtagsabgeordneten auf. Das war's. Wie gesagt: Früher hatte die Partei Umweltpolitiker wie Angela Merkel und Klaus Töpfer.

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