Kreis und quer:Null Prozent für die Liebe

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Bei der Europawahl trat erstmals die Partei "Liebe" an. Für eine Mehrheit, selbst im Landkreis, hat es noch nicht gereicht

Kolumne Von Michael Morosow

Als der Sozialdemokrat Gustav Heinemann 1969 vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten gefragt wurde, ob er denn Deutschland liebe, antwortete er: "Ach was, ich liebe meine Frau!" Und es ist bis heute so, die Liebe, die größte Irrationale der Menschheitsgeschichte, wird im allzu rational tickenden Politbetrieb nicht groß geschrieben. Noch nicht, muss man betonen, denn es gibt Bestrebungen, die Liebe künftig auch auf dem politischen Parkett zur Entfaltung kommen zu lassen, ihr gar ein Mandat zu geben. Vielleicht klappt dies bereits bei der Kommunalwahl im Frühjahr 2020. Der Anfang jedenfalls ist gemacht. Bei der Europawahl vor einer Woche sind neben den großen Parteien auch viele kleinere Gruppierungen angetreten: unter anderem die Frauen und die Grauen, die Violetten und die Rechten - und die LIEBE, groß geschrieben, wohlgemerkt. "Liebe und Respekt sind für die Partei Ausgangspunkt und Triebkraft jeglichen gesellschaftlichen Zusammenlebens und politischen Handelns", hat die Gruppierung die Wählerschaft wissen lassen.

Nun gut, das erste zählbare Ergebnis fiel ein wenig mager aus: Von 168 561 Stimmen, die im Landkreis abgegeben wurden, entfielen auf die LIEBE 78, das sind, so kann man in den Ergebnistabellen nachlesen, null Prozent. Aber wie heißt es so schön: Kein Weg ist zu weit, wenn die Liebe treibt, deshalb wird der herzlichen Truppe an dieser Stelle angeraten, raus zu gehen, außer vielleicht nach Baierbrunn, Grünwald und Schäftlarn, wo die Wähler äußerst lieblos mit ihnen umgegangen sind und sie mit keiner einzigen Stimmen bedachten. Wo kein einziges Pflänzchen steht, bringt das Gießen wenig, weshalb die LIEBE in ausdrücklicher Vermehrungsabsicht am besten in Aschheim, Aying, Brunnthal, Neubiberg, Pullach und Putzbrunn aufschlagen soll, denn in diesen Gemeinden hat jeweils eine/r sich für die LIEBE entschieden. Paarungswillige Singles wahrscheinlich, die man zusammenbringen könnte, wenn man sie fände. Ein kleiner Tipp: Die einzige Ayinger Stimme wurde im Ortsteil Peiß abgegeben. Vielleicht fragt man einfach mal dort im Wirtshaus nach, ob eine/r für die Liebe ist. Viel Glück dabei.

Dass es bereits bei der Landtagswahl 2020 für eine Mehrheit reichen wird, ist indes nicht wahrscheinlich. Sollte das der Fall sein, würden sicher auch die großen Parteien die Liebe für sich entdecken. Vielleicht sogar die anstrengendste Liebe, wie sie der Evangelist Matthäus propagierte: "Liebt eure Feinde und tut denen Gutes, die euch hassen." Nun, Ministerpräsident Markus Söder hat das zusammen mit Horst Seehofer schon hingekriegt. Aber würden das zum Beispiel die Sozis Natascha Kohnen und Annette Ganssmüller-Maluche schaffen? Kann man sich vorstellen, dass Taufkirchens Ex-Bürgermeister Jörg Pötke und sein Nachfolger Ullrich Sander sich herzen? Man darf nicht zu viel erwarten von der Liebe, Menschlichkeit wäre schon genug. Die Partei "Menschliche Welt" kam im Landkreis auf 98 Stimmen.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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