Abschiebungen:Ein Plan, der polarisiert

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Das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" von Innenminister Horst Seehofer erntet Lob und Kritik. Flüchtlingshelfer äußern sich entsetzt. Doch nicht nur der Deutsche Städtetag begrüßt ein schärferes Vorgehen bei Abschiebungen.

Von Bernd Kastner, München

"Unverschämt." Das ist der prägnanteste Kommentar, er kommt vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein. Der RAV hat dem Bundesinnenministerium geschrieben, nachdem er, eigenen Angaben zufolge, aufgefordert worden war, binnen drei Tagen und auch noch übers Wochenende eine Stellungnahme abzugeben zum Entwurf des heftig umstrittenen "Geordnete-Rückkehr-Gesetzes". Dem hat sich der RAV verweigert, nicht ohne dem Haus von Horst Seehofer (CSU) vorzuwerfen, dass es dabei sei, "in kürzester Zeit" ein weitreichendes Gesetz durchs Parlament zu bringen, und dabei "rechtsstaatliche Grundprinzipien aufzugeben".

Ärger und Sorge sind groß im Lager der Verbände, die für eine humane Asyl- und Flüchtlingspolitik eintreten. Das wurde am Montag erneut deutlich, als sich der Innenausschuss des Bundestags in einem Anhörungsmarathon mit mehreren Gesetzesvorhaben beschäftigte, darunter die zur Beschäftigungsduldung, zur Einwanderung von Fachkräften und eben zum Vorhaben, Abschiebungen zu forcieren. Geschehen soll dies unter anderem mit einer Ausweitung der Abschiebehaft; mit einem neuen, minderwertigeren Duldungsstatus für Personen, deren Identität unklar ist; oder mit Strafe, wenn Amtspersonen Informationen über Abschiebetermine weitergeben.

Nicht alle finden das skandalös. Es gibt auch Experten, die diese Pläne gutheißen. Die kommunalen Spitzenverbände etwa, darunter der Städtetag, begrüßen die Sanktionen für jene, die nicht mitwirken, ihre Identität zu klären oder Pässe zu beschaffen. Man müsse die Ausreisepflicht durchsetzen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten. Auch Daniel Thym, Rechtswissenschaftler von der Uni Konstanz und regelmäßig beauftragter Sachverständiger der Bundesregierung, lobt den Gesetzesentwurf. Bei der "Willkommenskultur" nehme Deutschland eine "europäische Führungsposition" ein, die "Integrationskultur" sei auf Niveau der "Champions League", schreibt der Professor. Nur bei Abschiebungen sei die Bundesrepublik nicht vorne dabei in Europa. Obwohl die Behörden verpflichtet seien, einen abgelehnten Flüchtling zwangsweise heimzuschicken, wenn er nicht von sich aus gehe. In der Zahl der Geduldeten - rund 180 000 laut Ausländerzentralregister, das aber als fehlerhaft gilt - sieht Thym den Beleg für ein "Vollzugsdefizit"; selbst dann, wenn man jene nicht mitzählt, die aus legitimen Gründen in Deutschland bleiben, etwa aus familiären oder medizinischen. Der einflussreiche Jurist jedenfalls hat wenig auszusetzen und spricht vom "Mythos der Masseninhaftierung": Deutschland nutze Abschiebehaft "überaus selten".

Dem steht die Kritik, bisweilen das Entsetzen jener gegenüber, die für die Rechte von Geflüchteten kämpfen. 22 Organisationen - von Pro Asyl bis zur Neuen Richtervereinigung - haben in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten appelliert, das Gesetz zu stoppen, weil es Zehntausende in Angst und einen "Zustand der Perspektivlosigkeit" versetze.

Im Innenausschuss erinnerte Caritas-Präsident Peter Neher daran, dass die Abschieberegeln in den vergangenen Jahren bereits deutlich verschärft worden seien: "Viel mehr geht da nicht." Kerstin Becker vom Paritätischen Gesamtverband kritisierte unter anderem den Plan, Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land Schutz gefunden haben, nach zwei Wochen komplett von Sozialleistungen auszuschließen. "Dies würde selbst Familien mit Kindern treffen", so Becker. Diese Form des "gesetzlich normierten Aushungerns" verletze "das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum". Zudem kritisiert Becker, dass Psychologische Psychotherapeuten künftig außen vor bleiben sollen bei der Prüfung, ob jemand abgeschoben werden dürfe. Vielen psychisch Kranken wäre es dann nicht möglich, in der Kürze der Zeit einen Arzt zu finden, der sie untersucht und begutachtet. Dabei seien Traumatisierte besonders schutzbedürftig.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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