Gartendesign in Deutschland:Grüne Hölle

Landschaftsarchitekt Henning Breimann über Moden in deutschen Gärten - und wie man ihnen entkommt.

Titus Arnu

Die Hamburger Gartendesigner Henning Breimann und Bertel Bruun gestalten weltweit Gärten, Parks, Innenhöfe, Dachgärten und Schulanlagen. Ihr Stil ist schnörkellos und gleichzeitig originell. Die Anlagen der renommierten Landschaftsarchitekten, etwa der Garten des 21. Jahrhunderts auf der Bundesgartenschau in Schwerin, sehen komplett anders aus als typische Privatgärten. Der deutsche Durchschnittsgarten, wie er in den einschlägigen Fachzeitschriften abgebildet und von den Baumärkten annonciert wird, verursacht beim Ästheten Breimann "warmes Erbrechen."

Garten; Henning Breimann

Der Anblick des typisch deutschen Gartens verursacht bei ihm "warmes Erbrechen": Gartendesigner Henning Breimann aus Hamburg.

(Foto: Foto: oh)

SZ: Wenn man sich so umschaut in deutschen Privatgärten, herrscht dort ein ziemliches Tohuwabohu: Buddhafiguren und Terrakottatöpfe neben Gartenzwergen, Bambusbüsche neben Stiefmütterchen. Was empfinden Sie bei einem solchen Anblick, Herr Breimann?

Henning Breimann: Das ist der Horror. Noch schlimmer ist nur, wenn der halbe Garten gepflastert ist, mit meterhohen Koniferen drumherum. Das ist das Spießigste überhaupt. Dass die Leute jetzt alle einen auf esoterisches Asien mimen müssen, gefällt mir auch nicht.

SZ: Woran liegt es , dass sich in den vergangenen Jahren so viele Stile in den deutschen Gärten vermischt haben - und jetzt alles aussieht wie eine Art moderner Landhausstil mit mediterranen Elementen, britischem Einschlag und asiatischer Ecke?

Breimann: Viele Gärten sind leider nach Moden ausgerichtet, nach den Nachbarn oder nach Baumarktprospekten. Früher hatten die meisten Gärten eine Funktion, was ihnen durchaus gut getan hat. Der Hortus conclusus, der geschlossene Garten, war ein Gemüsegarten zur Selbstversorgung. Heute werden Apfelbäume und Gemüsebeete ersetzt durch Engelsstatuen, bunte Kugeln und chinesische Brunnen - und das ist die Wurzel allen Gartenübels.

SZ: Kann man solchen Gartenmoden entkommen?

Breimann: Natürlich, indem man sich nicht nach ihnen richtet. In den sechziger Jahren waren Koniferen modern, alle haben Scheinzypressen, Fichten und Zedern gepflanzt, 20 Jahre später waren die zu groß, dann wurden sie überall umgehackt. Danach kamen die Themengärten in Mode: weiße Gärten, toskanische Gärten, japanische Gärten.

SZ: Angenommen, jemand bestellt bei Ihnen einen japanischen Garten, derzeit sind die schwer in Mode, wie würden Sie reagieren?

Breimann: Ich würde in Deutschland keinen japanischen Garten bauen, es sei denn, der japanische Botschafter beauftragt mich damit. Moden sind Gift für den Garten, denn Moden sind kurzlebig, und ein guter Garten braucht Zeit. Unsere Vorväter dachten in Generationen, heutzutage haben die Leute keine Geduld mehr. Die Kultur des Gartens hat sehr viel mit Langsamkeit zu tun. Wenn wir große Gärten planen und dort Bäume pflanzen, stellen wir uns vor, wie das alles in ein paar hundert Jahren aussieht.

SZ: Wenn Sie einen kleinen Privatgarten planen, wie gehen Sie dann vor? Die Besitzer wollen ihn ja möglichst nach ein paar Jahren genießen und nicht erst in ein paar hundert Jahren.

Breimann: Trotzdem rate ich immer dazu, möglichst reduziert und langfristig zu planen. Viele Leute machen den Fehler, dass sie viel zu viel pflanzen, und dann ist in ein paar Jahren alles mit Monstern zugewuchert. Außerdem wird oft vergessen, dass ein Garten unendlich viel Pflege und Geduld braucht, bis er schön ist. Das führt dazu, dass alle das Gleiche wollen: Einen kleinen Garten mit Zierpflanzen, einen pflegeleichten Rasen und einen Platz zum Grillen. Fertig. Das sieht überall gleich aus, in den USA, in China oder in Deutschland.

SZ: Wie sieht denn der ideale Garten für Sie aus?

Breimann: Er muss zum Ort und zum Besitzer passen. Idealerweise ist er in jeder Jahreszeit schön und von jedem Zimmer des Hauses aus schön anzuschauen. Er soll alle Sinne ansprechen, nach Moos, Rosen und Gras duften, man soll Bäume rauschen, Wasser plätschern hören und Kräuter schmecken können. Der Garten soll zudem immer ein Ort sein, an dem man Stille findet, egal wie groß er ist. Selbst in der Großstadt, auf wenigen Quadratmetern kann man eine Oase der Ruhe schaffen.

SZ: Wie soll das gehen?

Breimann: Durch den richtigen Einsatz von Blattmasse. Intelligente Pflanzungen, die Geräusche schlucken.

"Ein perfekter Garten ist ein Garten, in dem man Liebe machen möchte."

SZ: In deutschen Gärten, so scheint es, herrscht aber im Gegenteil dauernd Unruhe. Die ganze Zeit fuhrwerken die Menschen mit Rasenmähern, Laubsaugern und Häckslern herum.

Breimann: Ein Garten bringt eben viel Arbeit. Aber viele Leute übertreiben es mit den technischen Geräten. Häcksler halte ich im Privatgarten zum Beispiel für überflüssig. Warum lassen die Leute nicht mal etwas langsam verrotten? Verrotten ist ein schöner, fast erotischer Vorgang.

SZ: Erstaunlich: Sie finden Kompost also erotisch?

Breimann: Na ja, ästhetisch. Ein Beispiel: Wenn ich meine Zeitung ausgelesen habe, schmeiße ich sie nicht ins Altpapier, sondern stapele sie im Garten. Die Papiermauern werden nach und nach von Pilzen befallen, von Moos überwuchert und verschwinden dann ganz langsam. Ein faszinierender Vorgang. Wenn man die Zeitung nass auf ungebetene Gäste wie Giersch legt, hilft dieses Papier übrigens ziemlich gut.

SZ: Interessant, die Zeitung hat also noch eine Zukunft. Hat die Wirtschaftskrise übrigens dazu geführt, dass Sie weniger Aufträge bekommen?

Breimann: Im Gegenteil. Der Garten ist eine krisenfreie Zone. Ein Baum kann 1000 Jahre alt werden, an dem gehen Krisen spurlos vorüber, es sei denn, die Not ist so groß, dass die Leute ihn umhacken, weil sie das Holz brauchen. Zudem scheint mir, dass man es gerade in Zeiten, in denen es im Beruf härter zugeht, wenigstens zu Hause schön haben möchte. Dazu kommt vielleicht der Gedanke, dass man sich mit Gemüse aus dem Garten immer selbst versorgen könnte, auch wenn das die wenigsten Leute machen.

SZ: Welchen Wert hat Ihr eigener Garten für Sie?

Breimann: Ich wohne mit meiner Familie in einer ländlichen Ecke Hamburgs in einem Haus mit großem Garten. Es gibt dort einen Bach, einen Teich, Gänse, Hühner. Das ist für mich absolut lebenswichtig. Man ist dem Göttlichen näher als sonst. Noch mal zurück zum idealen Garten: Ein perfekter Garten ist ein Garten, in dem man Liebe machen möchte.

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