Frauenfußball-WM:Niemand stellt der Mannschaft das Wlan ab

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Gut gelaunt und selbstsicher in Bruz: Dzsenifer Marozsan (links) und Verena Schweers (Foto: Maja Hitij/Getty Images)
  • Die deutschen Fußballerinnen sind in ihrem ersten Hotel auf der Tour durch Frankreich angekommen.
  • Sie wirken selbstsicher wie lange nicht mehr vor einem Turnier.

Von Anna Dreher, Bruz

Der erste Ball ist am Ziel vorbeigerollt, der zweite hat kurz davor gestoppt, so ging das immer weiter. Heute war einfach kein guter Tag. Also sammelte der Mann einen Golfball nach dem anderen wieder ein, das Gesicht gezeichnet von dieser tiefen Unzufriedenheit, die Sportler durchströmt, wenn es nicht so läuft, wie sie sich das vorgestellt haben. Und das ausgerechnet in dem Moment, als ihm mehrere Leute am grünen Rasen des Golfressorts Domaine de Cicé-Blossac zuschauten. Sie standen dort nicht seinetwegen, aber sonst war nicht viel los, also waren selbst die erfolglosen Versuche eines Hobbygolfers unterhaltsam. Die angekündigte Hauptattraktion verspätete sich.

Bis sie kam, dauerte es eine Stunde länger als geplant. Dann aber war sie, begleitet von Blaulicht, in einem großen, bunt bedruckten Bus nicht zu übersehen: Die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen. In Frankfurt am Main hatte am Montagnachmittag ein Gewitter so heftig gewütet, dass der Charterflug mit dem zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameister keine Starterlaubnis erhielt. Also wartete und wartete die 30-köpfige deutsche Delegation, bis die WM in Frankreich für sie mit dem ersten Stopp in der Bretagne wirklich beginnen konnte. "Einige Spielerinnen haben ein bisschen Angst, wenn es turbulent wird", sagte Verteidigerin Sara Doorsoun, nachdem außer ihr eine Spielerin nach der anderen vom Bus schon durch den Haupteingang entschwunden war: "Ich glaube aber, dass uns das Wetter auch nicht davon abhalten konnte, mit guter Laune nach Frankreich zu reisen. Da muss schon mehr kommen."

Die Sonne scheint wie auf Bestellung

In Bruz schien jedenfalls wie auf Bestellung die Sonne, und eine Gruppe von Mädchen konnte zur Begrüßung der Fußballerinnen ein kleines Tänzchen im Freien aufführen, begleitet vom Lächeln und Klatschen der Deutschen. Die Laune bisher: bestens. "Das ist echt eine super Anlage, wir fühlen uns total wohl hier", sagte Melanie Leupolz am Dienstag bei der Pressekonferenz nach der ersten Einheit: "Der Trainingsplatz ist auch total in Ordnung. Wir müssen zwar ein bisschen fahren, aber wir haben ja sonst nicht so viel zu tun."

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Das Vier-Sterne-Teamhotel Domaine de Cicé-Blossac im Südwesten von Rennes liegt abgeschieden von jeglichem Trubel. Es fügt sich in das Muster der gut ausgewählten Turnierdomizile des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ein. Die Golfanlage erstreckt sich so weitläufig um das Hotel, dass deren bewaldetes Ende mehr zu erahnen als wirklich zu sehen ist. Der Gebäudekomplex ist neben dem Haupthaus über mehrere holzverkleidete, auf Stelzen gebaute und teils über kleine Brücken verbundene Häuser mit Spa- und Fitnessbereich verteilt. Dort ist die Nationalmannschaft einquartiert. Sogar einen See mit kleinem Sandstrand gibt es und einen eigenen Freizeitbereich für die Spielerinnen, mit Loungemöbeln, Gesellschaftsspielen und einer Tischtennisplatte. Das wird vor allem Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gefreut haben, die gerne variiert beim Ballspiel.

Die Rahmenbedingungen erinnern an jene der Europameisterschaft in den Niederlanden, als das Hotel der DFB-Auswahl während der Gruppenphase ähnlich idyllisch lag und es erstmals einen festen Ort für die ersten Spiele gab, wie bei den Männern. In diesem Jahr allerdings wird wieder durchs Land gereist und auch sonst soll möglichst wenig wie beim Turnier von 2017 ablaufen. Aus im Viertelfinale, das will keiner aus dem deutschen Team zwei Jahre später wieder erleben. Auch wenn die Konkurrenz stärker und die Liste der Favoriten länger geworden ist. Auch wenn die Konstellation an damals erinnert: neue Trainerin vor einem wichtigen Turnier, keine sehr lange Vorbereitungsphase, merklich veränderter Kader.

Die Mannschaft aber wirkt selbstsicherer, selbstgewisser, optimistisch. Die deutschen Auswahlspielerinnen wollen in der Erfolgsspur bleiben, in die sie der Interimstrainer Horst Hrubesch nach dem Steffi-Jones-Intermezzo zurückgebracht und die Voss-Tecklenburg mit ihrer Arbeit auch eingeschlagen hat: Seit zwölf Spielen sind sie ungeschlagen.

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"Über vergangene Turniere braucht man nicht mehr groß sprechen. Wichtig ist doch allein, dass wir daran gewachsen sind", sagte Mittelfeldspielerin Sara Däbritz, die mit kleiner Verspätung neben Leupolz Platz genommen hatte: "Im letzten halben Jahr haben wir uns ganz toll entwickelt. Natürlich ist da noch Steigerungspotenzial. Aber wir sind so weit, dass wir eine gute WM spielen können." Däbritz und Leupolz teilen sich in Frankreich nicht nur das Zimmer, sondern sehr wahrscheinlich auch die Aufgaben. Im letzten Test gegen Chile bildeten sie die Doppelsechs. Diese Aufstellung, hatte die Bundestrainerin gesagt, entspräche eventuell ihrer Startelf für die WM. Das Zusammenspiel der beiden funktionierte.

Selbst wenn es noch nicht so gewesen wäre, auf das Duo dürfte Voss-Tecklenburg nicht verzichten wollen. In ihrer Mannschaft mit 15 WM-Neulingen gehören Däbritz und Leupolz mit ihren 24 bzw. 25 Jahren zu den Erfahrenen, zu den wichtigen Stützen - um deren Prioritätensetzung sie sich zudem keine Sorgen machen muss. Probleme wie Joachim Löw bei der WM 2018 dürften ihr schon mal keine Sorgen bereiten: "Die Gefahr, dass man bei uns das Wlan ausstellen muss, gibt es nicht", versichert Leupolz: "Uns ist sehr bewusst, wie wichtig Regeneration und Konzentration sind. Und dass es wichtigere Dinge gibt, als Playstation zu spielen."

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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