Österreich:Strache ist fast schon wieder da

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Die Tür bleibt offen: Heinz-Christian Strache soll nach dem Willen des FPÖ-Vorstands "Teil der freiheitlichen Familie bleiben". (Foto: dpa)
  • Wegen des Skandals um das Ibiza-Video ist Heinz-Christian Strache Mitte Mai von seinen Ämtern als Österreichs Vizekanzler und als FPÖ-Chef zurückgetreten.
  • Gleichzeitig mit dem Rücktritt begann Strache allerdings bereits mit der Vorbereitung seiner Rückkehr.
  • Er hat Anspruch auf einen Sitz im Europäischen Parlament.
  • Der FPÖ-Vorstand will, dass Strache "Teil der freiheitlichen Familie" bleibt.
  • Neue Details aus Straches Zeit im Neonazi-Milieu werden bekannt.

Von Peter Münch, Wien

Das neue F-Wort in der FPÖ heißt Familie. So oft und von so vielen - kurzum: so penetrant - wird derzeit der familiäre Zusammenhalt der Freiheitlichen beschworen, dass man daraus eigentlich nur eines schließen kann: Hier hängt hinter den Fassaden der Haussegen schief.

Die Verantwortung dafür trägt einer, der sich gerade nach Kräften als verlorener Sohn positioniert, der die Rückkehr in den Schoß der Familie kaum erwarten kann: Heinz-Christian Strache.

Gerade einmal zweieinhalb Wochen ist es her, dass Strache nach dem entlarvenden Ibiza-Video zerknirscht den Rücktritt als Vizekanzler und FPÖ-Chef bekannt gab. Er tat dies, wie er betonte, im Interesse der Partei. Und er machte damit den Weg frei für das neue Führungsduo Norbert Hofer und Herbert Kickl, die sogleich Straches Verhalten auf Ibiza als "unentschuldbar" bezeichneten.

Nach Rücktritt
:Strache stellt Strafanzeige wegen Ibiza-Video

Der ehemalige österreichische Vize-Kanzler der FPÖ klagt an den Firmenstandorten von SZ und Spiegel. Die Ermittlungsbehörden prüfen jetzt, ob Ausschnitte aus dem heimlich aufgenommenem Video gezeigt werden durften.

Von Ralf Wiegand

Gleichzeitig mit dem Rücktritt begann Strache allerdings bereits mit der Vorbereitung seiner Rückkehr. Er inszeniert sich dabei als Opfer einer Verschwörung aus dem Ausland und oberster Aufklärer in eigener Sache, und den ersten Etappensieg feierte er am Tag der Europawahl. Eigentlich hatte er sich als Parteichef nur symbolisch auf den letzten Listenplatz der FPÖ setzen lassen.

Doch seine Anhänger wählten ihn mit knapp 45 000 Vorzugsstimmen nach vorn und sicherten ihm damit den Anspruch auf einen Abgeordnetensitz im EU-Parlament. Getrommelt hatte für Strache unter anderem auch der Chef der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner.

Von Beginn an machte Strache keinen Hehl aus seiner Neigung, das Mandat anzunehmen. Verhaltener und auch offener Widerstand aber kam aus vielen Ecken der Partei. Der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner erklärte, Strache solle "jetzt und in der Zukunft innerhalb der FPÖ keine Funktion mehr einnehmen".

Auch Kickl empfahl deutlich den Mandatsverzicht. Sogar Gerüchte über ein Parteiausschlussverfahren machten die Runde, bis schließlich am Dienstagabend der Familienrat, sprich der FPÖ-Vorstand tagte.

Danach verkündete Hofer eine "Vereinbarung" mit Strache: Sollte er das EU-Mandat annehmen, werde er "auf sämtliche Funktionen innerhalb der FPÖ" verzichten. Strache hat allerdings nach seinem Rückzug gar keine Funktionen mehr in der FPÖ, und der Verzicht soll laut Hofer auch nur "bis zur vollständigen Aufklärung der Umstände rund um das Ibiza-Video" gelten. In jedem Fall solle Strache "Teil der freiheitlichen Familie bleiben".

Fazit: Ganz weg war er nie, aber jetzt ist er fast schon wieder da.

Im November 1990 schickte er "deutsche Heilgrüße" per Postkarte

Dies ist jedoch nicht nur das Ergebnis alter Loyalitäten, sondern auch neuer Ängste. Denn die FPÖ steckt in einer Zwickmühle. Zum einen ist klar, dass man sich mit Strache im anstehenden Wahlkampf einen Klotz ans Bein hängt, weil damit der "unentschuldbare" Ibiza-Auftritt ein Thema bleiben wird. Zudem sind gerade wieder neue Details zu Straches Jugend in Neonazi-Kreisen bekannt geworden.

Der Falter veröffentlichte eine offenbar von Strache mit seinem Burschenschafter-Namen "Heinrich der Glückliche" unterzeichnete Postkarte, auf der "deutsche Heilgrüße" an die Bundesbrüder in "D-Oesterreich" geschickt wurden. Die Karte stammt aus dem November 1990, da war Strache schon FPÖ-Funktionär in Wien.

Zum anderen aber weiß die neue Parteiführung auch um Straches treue Anhängerschaft. Sollte die FPÖ ihm die kalte Schulte zeigen, könnte das am Ende gar auf eine Spaltung hinauslaufen. Vorerst spielen deshalb alle auf Zeit. Strache muss sich erst am 2. Juli entscheiden, ob er nach Brüssel geht.

Vorab hat er nur so viel versichert: "Gleich wie auch immer meine Entscheidung ausgeht, bleibe ich als einfaches Mitglied der FPÖ auch Teil der freiheitlichen Familie."

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© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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