Tutzing:Massenhaft Wissenschaftler, aber keine Küchenhilfen

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Landrat Karl Roth, Dagmar Schuller, Akademie-Direktorin Ursula Münch, Wolfgang Quaisser, Franz Josef Pschierer, Flughafen-Chef Michael Kerkloh, Professor Michael Grömling und Wirtschaftsförderer Christoph Winkelkötter. (Foto: Nila Thiel)

In der Politischen Akademie beraten Unternehmer, Politiker und Experten, wie sich die Wirtschaft in der Region verändert

Von Otto Fritscher, Tutzing

Die Männer auf dem Podium sind sich einig, bevor die Diskussion über das Thema "Den Wandel gestalten - was ist zu tun" überhaupt begonnen hat. Da es hochsommerlich heiß ist an diesem Dienstagabend, haben sie die obligaten Krawatten abgelegt. Auf die Anzüge wollten Landrat Karl Roth, der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer, Michael Kerkloh, Chef des Münchner Flughafens, Wolfgang Quaisser von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis, dann aber doch nicht verzichten. Lediglich Professor Michael Grömling vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln hat seinen lindgrünen Binder nicht abgelegt. Die Frauen auf dem Podium, Dagmar Schuller, Gründerin des Startups Audeering aus Gilching sowie Akademie-Chefin Ursula Münch tragen Sommerkleid und Hosenanzug.

Locker geht es in der Tat bei dieser Veranstaltung zu, die den hoch gegriffenen Titel "Politik und Unternehmen gestalten die Zukunft" trägt. Schon im Foyer der Akademie bilden sich Grüppchen, die sich freundlich begrüßen, aber nicht nur über das Sommerwetter, sondern auch über den allerorten spürbaren Strukturwandel in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutieren.

Winkelkötter ist im Kreis von einheimischen Firmenchefs, ehemaligen Ministern, Kreispolitikern wie FDP-Chefin Britta Hundesrügge und Feldafings Zweitem Bürgermeister Anton Maier ganz in seinem Element. "Die Politik muss es schaffen, dass Innovationen, die in Deutschland geboren wurden, auch in Deutschland bleiben und hier Wertschöpfung generieren", sagt Winkelkötter. Und er verdeutlicht gleich, wie das Thema auch den Landkreis betrifft: "Die Gilchinger Firma Lilium hat ja ein Flugtaxi entwickelt, das kürzlich erfolgreich seinen ersten Testflug absolviert hat. Natürlich muss das Flugtaxi noch viel mehr erprobt werden, dafür braucht es Flächen für Starts und Landungen, die es ja am Flughafen Oberpfaffenhofen gibt. Aber der Staat muss auch für Testflächen für Flüge von A nach B sorgen, dafür braucht Lilium Überfluggenehmigungen. Das dauert in Deutschland ewig, in Dubai wäre das in zwei Tagen erledigt." Auch die lange Dauer von Baugenehmigungsverfahren findet Winkelkötter nicht gut. Und weiter: "Verlässlichkeit in der Politik ist wichtig", womit er natürlich nicht seinen Aufsichtsratschef bei der Gwt, Landrat Karl Roth meint. Winkelkötter legt auch großen Wert darauf, dass der Landkreis ein Produktionsstandort bleibt. "Dafür müssen wir Flächen haben, es darf nicht nur um Gewerbegebiete mit Software-Firmen gehen. Ich möchte nicht, dass wir so ein Bürostandort wie Ismaning werden. Denn auch mit einer Ausbildung muss man hier bei uns einen Job finden können."

Ursula Münch bestätigt Winkelkötters These: "Ich finde hier massenhaft wissenschaftliche Mitarbeiter, aber keine Küchenhilfen für die Akademie. Später knöpft sie sich das Thema "Vertrauen" vor. Überraschendes Fazit: Das größte Vertrauen der Bürger genießen nicht die gewählten Vertreter, sondern - man höre und staune - der jeweilige Arbeitgeber. "Ihre Rolle in der Gesellschaft wird immer wichtiger", sagte sie den anwesenden Unternehmern. Landrat Roth liegt das Thema "Wohnen" am Herzen. "Optimal wäre es, wenn zu jedem Arbeitsplatz eine Wohnung geschaffen würde." Und Münch forderte, dass Großstädte wie München "grün bleiben müssen. Wenn sonst alle hier zu uns raus kommen, ist das auch keine Lösung."

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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