Sozialdemokratie:Kann die SPD von Dänemark lernen?

Malu Dreyer, eine von drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden

Malu Dreyer, eine von drei kommissarischen Vorsitzenden der SPD.

(Foto: Bloomberg)
  • Bestandteil der sozialdemokratischen Programmatik in Dänemark: der striktere Kurs in der Migrationspolitik.
  • Das könnte der Anstoß zu einer Diskussion sein, ob der dänische Weg auch für die krisengeschüttelte SPD vorbildhaft ist.

Von Nico Fried, Berlin

Am Mittwochnachmittag erreichte die bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten ein Schreiben ihrer Jusos. Darin bringt die Jugendorganisation ihr "größtes Entsetzen" darüber zum Ausdruck, dass die Parlamentarier an diesem Freitag dem Koalitionskompromiss zum "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" zustimmen wollen, mit dem Abschiebungen von Migranten ohne Aufenthaltstitel erleichtert werden sollen. Mit diesem Gesetz, so die bayerischen Jusos, gebe man "grundlegende Rechte und Werte unseres Staates auf".

Wenige Stunden später erreichte alle Sozialdemokraten in Deutschland die Nachricht vom Wahlsieg der Genossen in Dänemark und dem schweren Dämpfer für die Rechtspopulisten. Wichtiger Bestandteil der sozialdemokratischen Programmatik im nördlichen Nachbarland: der striktere Kurs in der Migrationspolitik. Das könnte der Anstoß zu einer Diskussion sein, ob der dänische Weg auch für die krisengeschüttelte SPD vorbildhaft ist. Die Jusos in Bayern wären wohl schon mal dagegen.

Auch Malu Dreyer, eine von drei kommissarischen Vorsitzenden der SPD, hält die Vergleichbarkeit der Politik in Dänemark und Deutschland für begrenzt. "Es gibt nie den identischen Weg", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Jedes Land habe seine eigenen Anforderungen zu stemmen. Andererseits plädierte sie für einen klaren Kurs in der Migrationspolitik. Für die SPD bleibe das Asylrecht unantastbar. "Wir gehen anständig mit Flüchtlingen um, die aus Not zu uns kommen. Und wir sind total klar bei Menschen, die nicht hier bleiben dürfen, weil sie kein Recht dazu haben", sagte Dreyer, die auch rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin ist. "Da sorgen wir dafür, dass sie zurückkehren. Das tun wir so human, wie das irgendwie geht." In Rheinland-Pfalz setze man zudem "stark auf freiwillige Rückkehr und das funktioniert auch sehr gut".

Sehr viel vehementer widersetzt sich SPD-Vize Ralf Stegner dem dänischen Modell. Er schrieb auf Twitter zum Sieg der Genossen: "Preis dafür - ökonomischer Linkskurs, aber gesellschaftspolitischer Rechtskurs (das empfehlen ja Neunmalkluge auch der deutschen Sozialdemokratie) - ist (zu) hoch." Mit den Neunmalklugen meint Stegner unter anderem den sozialdemokratischen Publizisten Nils Heisterhagen, der schon länger für einen linken Realismus insbesondere in der Migrationspolitik eintritt. Heisterhagen kann sich vom dänischen Wahlergebnis bestätigt sehen. Dem Tagesspiegel sagte er, die SPD brauche "realistische Diskurse in der Migrations- und Integrationspolitik und bei der inneren Sicherheit". Zusammen mit einem Linkskurs in der Sozial- und Steuerpolitik bedeute dies, "dass wir als Sozialdemokraten die Idee des starken Staates eben auch in diesen Feldern anwenden".

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Andrea Nahles nur wenige Tage vor dem dänischen Wahlergebnis ihre Spitzenämter in der SPD aufgegeben hat. Auch sie hätte die Politik, die zum Erfolg der dänischen Sozialdemokratie geführt hat, womöglich nicht ganz so kritisch gesehen. Nahles war von Beginn an in der Flüchtlingspolitik deutlich zurückhaltender gewesen als viele Genossen. Als Arbeits- und Sozialministerin legte sie von 2015 an den Schwerpunkt ihrer Willkommenskultur auf Warnungen vor Problemen und Kosten bei der Integration.

Sie sei irritiert gewesen "von der Euphorie, die sich da teilweise gezeigt hat", sagte Nahles später. Auch sie plädierte für einen "realistischen Blick" und bestritt nie eine Abwanderung sozialdemokratischer Wähler auch zur AfD. "Die Flüchtlinge haben bei manchen gewissermaßen eine Personifizierung von diffus vorempfundenen Gefühlen bewirkt", so Nahles 2018 kurz vor ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden. "Und das hat sich bei einigen in einer Rechtsvolte entladen - wenn auch nicht bei allen."

Allerdings hat es die SPD auch mit der zweiten Komponente der dänischen Variante nicht leicht: Ihre Sozialpolitik steuert schon lange wieder nach links, die Partei hat ein neues Sozialstaatskonzept entworfen, in der Regierung ringt sie unter anderem seit Monaten um die Einführung einer Grundrente. Neue Wähler hat das bisher allerdings nicht gebracht.

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