Mitten in Grünwald:Einfach mal weg

Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl lehnt Handys ab. Er ist damit nicht ganz alleine. Aber was ist, wenn der Chef wirklich gebraucht wird?

Kolumne von Claudia Wessel

Handystrahlen sind gefährlich. Eine französische Studie hat im Jahr 2014 bestätigt, dass Menschen, die ihr Handy mehr als 15 Stunden pro Monat über fünf Jahre hinweg nutzen, ein zwei- bis dreimal höheres Hirntumor-Risiko haben. 2015 bewies die University of Haifa, dass durch Handystrahlung die männliche Fruchtbarkeit geschädigt werden kann. 2016 fanden indische Forscher heraus, dass nahe Mobilfunktürme Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Bluthochdruck und Konzentrationsschwierigkeiten verursachen.

Es ist also insofern durchaus verständlich, dass manche Menschen - wenn auch inzwischen verschwindend wenige - kein solches Folterinstrument besitzen. Einer von ihnen ist Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl. Versucht man, ihn im Rathaus zu erreichen, läuft das nicht selten so ab wie am Mittwoch dieser Woche, als man ihn gerne zur Suspendierung eines leitenden örtlichen Polizeibeamten befragt hätte: Um 10 Uhr bittet seine Sekretärin, zwischen 14 und 15 Uhr anzurufen. Zwischen 14 und 15 Uhr teilt sie mit, sie habe lediglich gedacht, dass er da sein könnte, er sei aber nicht da. Um 16 Uhr fragt man: Ja, wo ist er denn? Hilflose Verzweiflung am anderen Ende der Leitung: "Ich weiß es nicht."

Sie weiß es nicht? Der Chef des Rathauses ist den ganzen Tag einfach verschollen? Quasi unentschuldigt? Mit unbekanntem Ziel? Nicht krank geschrieben, nicht in Urlaub, nicht auf einem Termin, sondern einfach mal weg? Und ohne Handy natürlich unerreichbar. Natürlich gibt es Wichtigeres als die Suspendierung eines angesehenen Polizeibeamten, und vielleicht ist es auch entspannter, nach so einem Fall abzutauchen. Was aber, wenn der Bürgermeister wirklich gebraucht wird? Dann nicht auffindbar zu sein, könnte für ihn noch gefährlicher werden als Handystrahlung.

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