Theater:Zimmertheater "Mathilde Westend"

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Theresa Hanich im Theater "Mathilde Westend" in München, 2017 Die Intendantin, Regisseurin und Darstellerin Theresa Hanich in ihrem kleinen Theater "Mathilde Westend" in der Gollierstraße 81. (Foto: Catherina Hess)

Von Christine Dössel

Wo ist denn hier die Bühne? Zuschauer, die zum ersten Mal das Theater "Mathilde Westend" im Münchner Westend betreten, schauen sich erst mal verdutzt um, bevor sie registrieren, dass es das schon vollumfänglich ist: das ganze Theater auf 15 Quadratmetern, Bühne und Zuschauerraum in einem winzigen Raum - und links hinten im Eck die "Bar" gleich noch dazu, nun ja, zumindest eine Anrichte mit Getränken und Gläsern. 17 Klappstühle für 17 Zuschauer. Plus ein Nothocker. Mehr ist da nicht. Und doch tut sich, sobald zwischen den drei Stuhlreihen in intimster Atmosphäre das Spiel beginnt, eine Welt auf, reist man in das nächtliche Party-New-York von Dorothy Parker oder, in einer stimmigen Zwei-Personen-Adaption von Charlotte Brontës "Jane Eyre", in das England des 19. Jahrhunderts. Weil Theater das kann: den Raum enorm erweitern, auch den im Kopf.

"Mathilde Westend" ist buchstäblich ein Nischenprogramm. Als "das kleinste Theater der Stadt" bewirbt Theresa Hanich (Foto) ihre mit dem Vornamen der Großmutter bedachte Schaubude, ein ehemaliges Nagelstudio, in dem sie seit vier Jahren Stücke aufführt. Oft Romanbearbeitungen, immer Stoffe von Frauen. Es ist ein weibliches Literaturtheater. In den Eigenproduktionen spielt die Hausherrin stets auch selber mit. Hanich, Jahrgang 1983, ist Theater- und Filmschauspielerin. Als Betreiberin ihres Zimmertheaters ist sie manchmal auch Regisseurin. Den Abend "Tage des Schreckens, der Verzweiflung und der Weltverbesserung" zum Beispiel hat sie gemeinsam mit Julia Loibl selbst eingerichtet, und die beiden spielen ihn auch: hautnah, originell und allerreizendst. Es ist eine Collage aus Kurzgeschichten und Kritiken der spitzzüngigen Amerikanerin Dorothy Parker, dargeboten auf einem Spielsteg aus weißen Podesten, der vom Schaufenster des Ladenlokals bis fast ganz rüber zur Klotür geht. Dort führt eine als "Showtreppe" dekorierte Leiter hoch in eine Wandnische, die ebenfalls bespielt wird. Jeder Quadratzentimeter wird ausgenutzt in diesem Minitheater, das auch eine Zauberkiste ist. Man staunt, wo überall Requisiten versteckt sind. Als Scheinwerfer dienen Ikea-Klemmlampen, die Musik wird vom Handy aus über Bluetooth gesteuert, für Frischluft sorgt ein Ventilator. Es gibt am Eingang sogar einen roten Teppich: als Fußabstreifer.

© SZ vom 08.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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