Nationalpark in Andalusien:Erdbeeren gefährden das Paradies

Ausgerechnet der Anbau der kleinen Früchte bedroht im Süden von Spanien den Coto de Doñana-Nationalpark mit seiner Vielfalt an Lebensräumen und Arten.

Das soll Spanien sein? Der Strand am Atlantik ist menschenleer. Bis zum Horizont. Und dahinter? Der Unimog schiebt sich den Sandberg hinauf. Keine Bettenburgen, Villen und Golfplätze sind zu sehen, keine Straßen und keine Menschen.

Nur Dünen, Weite und Rehspuren im Sand. Willkommen an einem der letzten unverbauten Abschnitte der spanischen Südküste, dem Coto de Doñana Nationalpark in Andalusien. Geschützt wird hier eines der weltweit wichtigsten Feuchtgebiete. Seine Zukunft allerdings ist bedroht - von Erdbeeren.

Doñana ist ein Flickenteppich unterschiedlicher Lebensräume: Hinter den Wanderdünen an der Küste wachsen Pinienwälder, Korkeichenhaine und Heide. Dann folgt sumpfiges Marschland, das regelmäßig überflutet und von offenen Lagunen unterbrochen wird. Geschaffen hat dieses Ökomosaik der Fluss Guadalquivir, der an seiner Mündung seit Jahrtausenden Sand und Schwebstoffe abgelagert hat.

Wie das Wattenmeer an der Nordsee lockt Doñana zahlreiche Zugvögel an: Schätzungsweise sechs Millionen von ihnen legen hier eine Pause ein, wenn sie im Frühjahr und im Herbst ihre Lebensräume in Afrika und Europa wechseln.

An der Laguna de Santa Olaya im Herzen des Nationalparks stapfen rosa Flamingos durch das flache Wasser, daneben stehen Löffler und Reiher. Zu erreichen ist die Lagune auf organisierten Geländewagentouren. Auf eigene Faust dürfen Touristen den Nationalpark nur in der Nähe der Besucherzentren erkunden.

Dass Doñana Spaniens Bauboom und verschiedenen Plantagenprojekten trotzen konnte, darf sich der WWF auf die Fahnen schreiben. Auf Betreiben der Naturschutzorganisation wurde der Schutz von Küste und Marschland festgeschrieben: Im Oktober 1969 - also vor bald 40 Jahren - wurde Doñana zum Nationalpark erklärt.

Zufrieden zurücklehnen können sich die Naturschützer aber nicht: "Durch illegale Bohrlöcher ist die Wassermenge des Rocina um die Hälfte zurückgegangen in den vergangenen 30 Jahren", beklagt Felipe Fuentelsaz vom WWF Spanien.

Der Rocina ist Doñanas wichtigster Zufluss. Weil er früher bis zum Spätsommer Wasser führte, wird er die "Mutter der Marsch" genannt. In den vergangenen Jahren versiegte der Fluss aber bereits im Juni. Vor allem für den Anbau von Früherdbeeren, die auch in Deutschland in Supermärkten zu finden sind, wird dem Fluss das Wasser abgegraben.

Wie der Wasserdiebstahl seltene Tiere gefährdet

Als Gegenmaßnahme arbeiten Fuentelsaz und seine Kollegen mit einigen Erdbeerfarmern zusammen und zeigen diesen, wie man mit einem Viertel weniger Wasser und etwas Technik - Tröpfchenberieselung, Feuchtigkeitssensoren im Boden und Computern zur automatischen Steuerung des Ganzen - saftige Erdbeeren hinbekommt. Mit einem Panda-Logo auf dem Schälchen werden diese unter anderem in Deutschland angeboten - zu leicht erhöhten Preisen, versteht sich.

Etwas flussabwärts des Informationszentrums "La Rocina" liegt El Rocio. Unbefestigte Straßen und weite sandige Plätze, die eingerahmt werden von weißen Häusern mit Geländern zum Festbinden von Pferden: El Rocio wirkt wie der perfekte Ort für einen Westernfilm - kulissenhaft und tot. Hier wohnen kaum 1000 Menschen.

Nur Pfingsten ist alles anders: Dann verlässt die Heilige Jungfrau von El Rocío - eine goldene Marienfigur - bei einer Prozession die Wallfahrtskirche, und der Ort platzt aus allen Nähten: Eine Million Pilger kommen.

Kontaktsperre für Luchse

Die tierischen Stars von Doñana sind in El Acebuche zu finden. "Wir arbeiten daran, dass der Iberische Luchs zu einer gefährdeten Art wird", erklärt Astrid Vargas, die für das Nachzuchtprogramm verantwortliche Biologin. "Momentan wird die Art als 'stark gefährdet' eingestuft." Laut Schätzungen gibt es nur noch maximal 45 geschlechtsreife wilde Luchsweibchen in Spanien und Portugal.

Mehr als die Livebilder auf einem Flachbildschirm, der im Foyer des Besucherzentrums an der Wand hängt, bekommen Touristen von den seltenen Katzen in ihren Gehegen jedoch nicht zu sehen. Die Anlage für das Nachzuchtprogramm liegt abseits im Buschland und ist mit mehreren Reihen blickdichter Zäune gesichert.

Die Luchse sollen wenig Kontakt zu Menschen bekommen, damit sie nach der Auswilderung nicht schnurrend herbeilaufen, wenn sie der Hunger quält. Seit 2005 kamen 24 Jungen zur Welt. Das Zuchtprogramm sei aber "definitiv nicht der Weg, Luchse vor dem Aussterben zu bewahren", sagt die Biologin. "Unsere Aufmerksamkeit sollte dem Schutz ihres Lebensraumes gelten."

Womit die Besucher von Doñana wieder bei den Erdbeeren wären. Für Plantagen in der Umgebung wurden Wälder illegal gerodet. Die großen Flächen aus sterilen Plastikfolien-Gewächshäusern zerschneiden die Wanderrouten vieler Tiere. Doñana wird so zu einer "Insel" auf dem Land.

Die Folge ist, dass Tiere wie Otter und Luchs genetisch verarmen, weil die notwendige Blutauffrischung durch Neuankömmlinge unterbleibt - und das mindert langfristig ihre Überlebenschancen.

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