Energiewende:Vom Winde beseelt

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Norbert Neugebauer, Monika Arzberger, Hans Zäuner, Antonia Schüller, Miriam Böhlke, Antonia Thewalt, Kira Mennerich, Wolfgang Seiler und Hans Gröbmayr informieren im Alten Speicher über Chancen der Windkraft. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Energieagentur stellt vor, wie im Landkreis nachhaltig und klimaschonend Strom erzeugt werden könnte - und warum das dringend nötig ist

Von Sabina Zollner, Ebersberg

"Es wird nichts bleiben, wie es ist", mit diesen Worten eröffnete Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr den Informationsabend zur Windenergie im Landkreis Ebersberg. Mit der Veranstaltung wollte die Energieagentur Ebersberg-München die Zuschauer über den Stand der Energiewende, sowie die Vorteile von Windenergie im Landkreis aufklären. Etwa 250 Teilnehmer fanden sich bei der Veranstaltung im Alten Speicher zusammen, um im Anschluss über die Chancen und Risiken von mehr Windrädern im Landkreis zu diskutieren.

Es war ein Abend, der Menschen für den Klimaschutz bewegen sollte. Den Anfang machten vier Aktivistinnen der Fridays for Future Bewegung. "Wir steuern auf eine Katastrophe zu", sagt die Sprecherin der Bewegung, Miriam Boehlke. Die jungen Frauen nutzten die Bühne um auf ihren Forderungskatalog an die Stadt Grafing aufmerksam zu machen. Laut dem Katalog soll der Umweltnotstand in Grafing ausgerufen werden. Das bedeutet, dass bei jeder Entscheidung im Stadtrat der Umweltschutz berücksichtigt werden sollte. Auch zu Gast war der Meteorologe, Wolfgang Seiler. Der Wissenschaftler im Ruhestand hat 22 Jahre am Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch-Partenkirchen gearbeitet. In seinem Vortrag betonte er, wir wichtig es sei, den Ausstoß von Kohlenstoff-Dioxid zu reduzieren. Das könne nur passieren, wenn auf fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas verzichtet werde. Diese zerstören nicht nur die Umwelt, sondern verursachen auch eine politische Abhängigkeit und Erpressbarkeit, so Seiler. Sein Referat beendete der 79-Jährige mit dem Wunsch den D-Day, der an die Besatzung der Deutschen in der Normandie erinnert, in ein E-Year umzuwandeln. Ein Jahr der Energiewende, in dem auf regenerative Energien umgestellt werden soll. Die Windkraft ist eine davon.

Im Landkreis Ebersberg gibt es bisher nur ein Windrad. Schon bald könnten fünf weitere hinzukommen. Über den Stand des so genannten Zonierungs-Verfahrens, das die Aufstellung von fünf Windrädern im Ebersberger Forst prüft, informierte der Büroleiter von Landrat Robert Niedergesäß und Zuständiger für Klimaschutz im Landratsamt, Norbert Neugebauer. Sichtbeeinträchtigung, die Zerstörung des Landschaftsbilds, Artenschutz, Infraschall - das alles sind Bedenken, die Bürger gegen den Bau von Windrädern äußern. Neugebauer betonte, dass all diese Sorgen in dem vor einem Jahr eingeleiteten Gutachten beachtet werden sollen. Das Münchner Umweltbüro GFN soll dabei in einer so genannten Horst-Suche in einem Untersuchungsgebiet von 1650 Hektar die Artenvielfalt von Vögeln und Fledermäusen dokumentieren. Auch werden die Umweltwissenschaftler die Flugbewegungen kollisionsempfindlicher Großvogelarten untersuchen, um am Ende herauszufinden, ob ein Windpark im Landschaftsschutzgebiet möglich ist. Ein Ergebnis wird im Spätsommer erwartet. Die Schutzwirkung des Forsts beizubehalten, sei oberstes Gebot, betonte Neugebauer.

Für Klimaschutzmanager Gröbmayr kann es nicht schnell genug gehen: "Wir wissen, wie die Zeit drängt, und wir kommen keinen Schritt weiter", sagt er. Wenn nichts für die Energiewende getan werde, müsse bis 2030 weiterhin 40 Prozent des Stroms aus fossilen Brennstoffen gewonnen werden. Momentan verbraucht der Landkreis etwa 500 Kilowattstunden. Trotz Energiesparmaßnahmen, wird der Verbrauch bis 2030 vermutlich auf 700 Kilowattstunden steigen, da mehr Strom für E-Mobilität und energieeffiziente Wärmepumpen benötigt wird. Falls der Landkreis komplett aus fossilen Energien aussteigen will, müsste er bis 2030 etwa 33 Windräder im Kombination mit weiteren Photovoltaik und Biogasanlagen bauen, so die Berechnung Gröbmayrs. Für ihn gibt es nur eine Lösung: so schnell wie möglich Bebauungspläne für Windparks aufstellen.

Doch so einfach ist das nicht: Der Beschluss, ein Windrad zu bauen, ist aufgrund der 10-H-Regel ein langwieriger politischer Prozess. Nach der Regelung darf kein Windrad näher als das Zehnfache seiner Höhe an der nächsten Wohnsiedlung stehen. Es sei denn, die örtliche Kommune genehmigt eine Ausnahme. In Bruck, wo das einzige Windrad im Landkreis etwa 430 Meter weit von der nächsten Ortschaft steht, hatten sie das Glück, dass die Baugenehmigung vor Erlass der 10-H-Regel ausgestellt wurde. Betreiber, Hans Zäuner appellierte beim Informationsabend für mehr Bürgerbeteiligung. "Denn wenn man auf die Politik wartet, dann passiert nix", sagt er. Für Zäuner sind Windräder kein Störenfried, sondern eine Chance für regionale Entwicklung. So sollen die Bürger einer Gemeinde die Möglichkeit haben, mitzubestimmen, und von der Anlage über Gewerbesteuereinnahmen profitieren.

Nach fast zwei Stunden Vortrag war das Publikum an der Reihe. Die einen regten sich auf, dass nichts getan werde: "Warum geht nichts voran?", kritisierte ein Zuschauer den Stand der Energiewende. Ein anderer appelliert: "Die Menschen müssen lauter werden". Doch auch Windkraftgegner waren im Raum: "Warum nutzten wir nicht einfach Windenergie aus dem Norden, wo Strom billiger und effizienter produziert werden kann", tönte es aus dem Publikum. Gröbmayr hielt entgegen, dass man nicht von den Menschen im Norden erwarten könne, dass sie Hunderte von Windrädern vor ihrer Haustüre stehen haben und hier kein einziges gebaut werde. Auch der Meteorologe Seiler sieht in regionalen Windrädern eine Chance: "Desto mehr Strom wir hier in Bayern haben, desto mehr Geld bleibt in Bayern", und erntet dafür viel Applaus. Die Idee, dass Bürger von regionalen Windrädern profitieren können, scheint am Ende des Abends auf Sympathie zu stoßen.

© SZ vom 11.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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