Britische Konservative:Neuanfang mit K.-o.-System

Conservative Party Leadership Candidate Leaves His Home

Ist das Rennen für ihn schon gelaufen? Umweltminister Michael Gove will Tory-Chef werden, nun aber wurde seine Kokain-Erfahrung bekannt.

(Foto: Leon Neal/Getty Images)
  • Zehn Kandidaten stellen sich in Großbritannien dem Kampf um die Nachfolge der kürzlich zurückgetretenen Premierministerin Theresa May.
  • In den kommenden zwei Wochen wählen die Konservativen im Parlament so lange, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Dann wählen alle Parteimitglieder den neuen Vorsitzenden oder die neue Vorsitzende.
  • Es könnte ein schmutziger Wahlkampf werden. Umweltminister Michael Gove etwa muss sich gerade für seinen Kokain-Konsum vor 20 Jahren rechtfertigen.

Von Cathrin Kahlweit, London

Kaum hat Theresa May still und leise den Posten der Parteichefin abgegeben, tobt in Großbritannien ein schriller und schon jetzt unfeiner Kampf um ihre Nachfolge - und damit um den Job des nächsten Premierministers (Frauen haben diesmal nur geringe Chancen). Zwar hatten alle Kandidaten im Vorfeld gelobt, einen sauberen Wahlkampf zu führen, aber noch ehe am Montagabend die Bewerberliste geschlossen worden war und alle Nominierten den Startschuss für ihre Wahlkämpfe gegeben hatten, überlagerten Misstöne den bisher vor allem hinter den Kulissen geführten Machtkampf in der Konservativen Partei.

Am Montag waren von elf Bewerbern noch zehn im Rennen. Weil die Regeln vor Kurzem geändert worden waren, muss neuerdings jeder Bewerber insgesamt acht Unterstützer in der Unterhausfraktion der Tories haben, um überhaupt an dem K.-o-System teilnehmen zu dürfen, das in zwei Wochen abgeschlossen sein soll. Nur ein früherer Hochschul-Staatssekretär hat diese Hürde nicht geschafft. Am Ende des Abstimmungsreigens sollen zwei Kandidaten übrig bleiben, die sich den Parteimitgliedern zur Abstimmung stellen - wenn es nicht vorher schon zu Skandalen, Intrigen, Rufmorden, Tränen, Hysterie und frühen Rückzügen kommt.

Die nächsten Wochen dürften für das an Dramen gewöhnte Großbritannien daher noch einmal besonders dramatisch werden. So könnte die Kampagne des amtierenden Umweltministers Michael Gove, nach Ex-Außenminister Boris Johnson bislang einer der chancenreichsten Mitbewerber um Mays Nachfolge, wegen seines Drogenkonsums vor 20 Jahren schon jetzt vor dem Aus stehen. Insider mutmaßen, dass die Indiskretionen über die Einnahme von Kokain, die Gove jahrelang unterdrückt hatte und die nun in einer Biografie auftauchen, aus dem Lager der Konkurrenz kommen.

Boris Johnson wiederum, der in Umfragen etwa 25 Prozentpunkte vor den anderen Kandidaten liegt, hatte sich wochenlang in der Hoffnung sonnen dürfen, dass ihn die einflussreiche Arbeitsministerin Amber Rudd unterstützen wird, der selbst Ambitionen auf das Amt nachgesagt wurden. Nun hat sie aber am Wochenende überraschend ihre Unterstützung für Außenminister Jeremy Hunt öffentlich gemacht und Johnson für gefährlich erklärt.

Boris Johnsons größter Feind ist eindeutig er selbst

Der Ex-Außenminister und Ex-Londoner Bürgermeister, der schon 2016 kandidiert hatte, und damals nach allgemeinem Eindruck an einer schlecht vorbereiteten und schlampig geführten Kampagne scheiterte, hat sich diesmal ein Team von Profis geholt. Die haben ihm offenbar vor allem geraten, in Deckung zu bleiben. Zwei Bonmots über Johnson erklären, warum: "Boris kann nur über Boris stolpern", lautet das eine - ein Verweis darauf, dass seine Persönlichkeit die größte Gefahr für seine Kandidatur ist. Das andere lautet: "Alle mögen Boris, nur die nicht, die ihn kennen." Johnson hat sich bislang an seine Berater gehalten und wenig konkret geäußert. Allerdings verspricht er einen harten Brexit ohne Deal, wenn Brüssel nicht doch gegenüber Londons Forderungskatalog einknickt. Und er verspricht Steuersenkungen für die Reichen. Beides könnte ihm zum Nachteil gereichen, wenn die Debatte über Umsetzbarkeit und Vermittelbarkeit seiner Positionen Fahrt aufnimmt.

Als moderater Kandidat für die Tory-Basis und das ganze Land präsentiert sich derzeit Außenminister Jeremy Hunt. Er hat vor einer kompromisslosen Haltung im Brexit-Streit gewarnt und zeigt sich auch in anderen Streitpunkten wie Austeritätspolitik, Sozialausgaben und Immigration moderat. Seine Eignung als nächster Premier begründet er damit, dass er vor seiner politischen Karriere ein erfolgreicher Unternehmer gewesen sei und sich in der Kunst des Deals auskenne. Nicht von ungefähr wurde bekannt, dass Hunt sich vergangene Woche mehrmals vom US-Präsidenten Donald Trump Tipps für eine erfolgreiche Präsenz im Internet und Selbstvermarktung gegeben haben lassen soll.

Kommende Woche will die BBC eine Runde von Fernsehduellen mit allen Kandidaten veranstalten. Ob Johnson teilnimmt, ist noch ungewiss; seine Berater fürchten, er könne sich mit mangelnder Detailkenntnis blamieren, wenn er unter Druck gerät. Ein Kandidat hat sich indes schon jenseits der großen Bühne auf höchst ungewöhnliche Weise bekannt gemacht: Entwicklungshilfeminister Rory Stewart.

Er hat eine brillante Vita, war Diplomat und Entwicklungshelfer, Lehrer der Prinzen William und Harry, ist Buchautor und Kosmopolit. Er ist der einzige im Bewerberfeld, der den Brexit für eine gefährliche Sache hält und das auch öffentlich sagt. Um seine schlechten Bekanntheitswerte aufzupeppen, wandert Stewart seit Wochen durch das Land und lädt die Briten zu spontanen Gesprächen ein. Täglich kommen mehr. Stewart könnte ein Überraschungstipp für die Buchmacher werden.

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