Bundesagentur für Arbeit:Holsboers Stuhl wackelt gewaltig

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Der Stuhl von Valerie Holsboer im dreiköpfigen BA-Vorstand wackelt gewaltig. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Personal- und Finanzvorständin der Arbeitsagentur gilt als direkt und temperamentvoll - und treibt Veränderungsprozesse voran. Das ist offenbar einigen in der Behörde zu viel geworden.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Als die Bundesagentur für Arbeit (BA) am 31. März 2017 in einer Pressemitteilung ihr neues Vorstandsmitglied Valerie Holsboer vorstellte, hieß es über die frühere Chefin eines Arbeitgeberverbands, sie sei "eine erfahrene Verhandlerin".

Damals bezog sich das auf schwierige Tarifverhandlungen. Nun aber, erst gut zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt als erste Frau im Vorstand der BA, muss die 42-Jährige in eigener Sache Verhandlungsgeschick beweisen. Denn ihr Stuhl im dreiköpfigen BA-Vorstand wackelt gewaltig.

Die Bild am Sonntag berichtete am Wochenende, die Juristin solle auf der nächsten Sitzung des BA-Verwaltungsrates am 12. Juli abgesetzt werden. Der Verwaltungsrat ist das mächtige Aufsichtsgremium der Nürnberger Behörde; er schlägt der Bundesregierung den Vorstand vor.

Der Verwaltungsrat ist zu je einem Drittel mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt und mit Abgesandten von Bundes- und Landesministerien sowie den Kommunen. Auch die drei Vorstandsmitglieder der Bundesagentur lassen sich zumindest grob jeweils einer "Bank" zuordnen: Arbeitgeber, Arbeitnehmer plus ein Mitglied, das aus der BA selbst kommt.

Gegenwind aus dem eigenen Lager

Holsboer, die im Vorstand für Personal und Finanzen zuständig ist, zählt in dieser Lesart zur Arbeitgeberseite; vor ihrem Wechsel nach Nürnberg war sie Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Systemgastronomie. Umso erstaunlicher ist es, dass der Gegenwind anscheinend aus Holsboers eigenem Lager kommt.

Der Verwaltungsratsvorsitzende der BA, Peter Clever, soll ihr angekündigt haben, dass sie abgewählt werde; auch die Arbeitnehmerseite unterstütze sie nicht mehr. Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Arbeitgeberverband BDA, stand für eine Stellungnahme ebenso wenig zur Verfügung wie Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes und BA-Verwaltungsratsvize. Als mögliche Nachfolgerin gilt die 61-jährige Christiane Schönefeld, Chefin der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen.

Aus Kreisen des Verwaltungsrates hieß es, Holsboer sei die zentrale Frage, wie die BA in Zeiten niedriger, aber verfestigter Arbeitslosigkeit aufgestellt werden müsse, nicht strategisch und strukturiert genug angegangen. Wichtige personelle und organisatorische Reformen seien liegen geblieben. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Verwaltungsrat wird als beschädigt beschrieben, die Aufseher fühlen sich von Holsboer nicht ausreichend eingebunden und informiert. Es habe sich der Eindruck verfestigt, dass sie mit der Größe der Reformen überfordert, ist zu hören. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass Holsboer sich auch mit etwas anderem Feinde gemacht hat: Sie kam von außen zur BA und machte nie einen Hehl daraus, die Strukturen der 96 000 Mitarbeiter großen Behörde verändern zu wollen. Holsboer, die eine direkte Art hat und ein temperamentvolles und selbstbewusstes Auftreten, schickt Führungskräfte zum Ortsbesuch in die Arbeitsagenturen, auch sie selbst ist immer viel vor Ort unterwegs. In einer hierarchischen Organisation begeistern solche Ansätze nicht jeden. Inzwischen haben sich auch ihre Unterstützer in Stellung gebracht - bis hin zu Mitarbeitergruppen in sozialen Netzwerken. Aus BA-Kreisen, die mit Holsboers Arbeit vertraut sind, heißt es, sie habe einen partizipativen, modernen Führungsstil und treibe Veränderungsprozesse stark an. Von Unterstützern wird sie als "hochkompetent" beschrieben; sie stehe für eine neue Kultur und den Wandel in der Bundesagentur. Die Fronten sind also klar. Aus Kreisen des Verwaltungsrates aber hieß es am Dienstag, die notwendigen Stimmen für eine Abwahl habe man beisammen.

© SZ vom 12.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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