Theater:Wieder zuhause

Dramatikerpreis für René Pollesch

René Pollesch, 56, ist Regisseur, Autor und künftiger Intendant der Berliner Volksbühne.

(Foto: picture alliance / Soeren Stache)

René Pollesch übernimmt die Berliner Volksbühne

Von Peter Laudenbach

Wie der RBB gestern meldete, soll der Regisseur René Pollesch in zwei Jahren, mit Beginn der Spielzeit 2021/2022, die Intendanz der Berliner Volksbühne übernehmen. Am heutigen Mittwoch wird sich Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) bei einer Pressekonferenz zur Zukunft der Volksbühne äußern. Unmittelbar davor wird Lederer die Mitarbeiter des Theaters in einer Belegschaftsversammlung über den anstehenden Wechsel an der Spitze des Hauses informieren. Der Vertrag des Interimsintendanten Klaus Dörr, der die Volksbühne erst vor gut einem Jahr nach dem desaströsen Scheitern von Chris Dercon und Marietta Piekenbrock übernommen hat, läuft 2021 aus. Obwohl Dörr mit einem weiteren Vertrag als Geschäftsführender Direktor bis 2023 an die Volksbühne gebunden ist, wird er nach SZ-Informationen das Haus mit Beginn der Intendanz René Polleschs verlassen.

Dörr ist es in der zu Ende gehenden Spielzeit gelungen, das Theater zu stabilisieren und wieder einen funktionierenden Theaterbetrieb zu etablieren. Prominente Gastspiele bescherten der kriselnden Bühne eine gute Platzauslastung. Eine eigene Handschrift, gar künstlerisches Profil ist indessen nicht erkennbar. Die Stimmung zwischen dem Intendanten und der selbstbewussten Belegschaft ist angespannt. Nur eine Eigenproduktion, "Der Palast" der argentinischen Choreografin Constanza Macras, war künstlerisch überzeugend. Es wird erwartet, dass Macras auch unter Pollesch weiter an der Volksbühne arbeiten wird.

Die Berufung Polleschs kommt nicht überraschend. Es ist kein Geheimnis, dass der Regisseur in den vergangenen Wochen intensiv mit der Kulturverwaltung verhandelt hat. Ein Gerücht will wissen, dass neben Pollesch auch die Schauspielstars Sophie Rois und Martin Wuttke zur neuen Leitung des Theaters gehören sollen. Das könnte ein Versuch sein, mit der oft eingeforderten Emanzipation der Schauspieler von der Theaterhierarchie Ernst zu machen.

Pollesch war neben Herbert Fritsch und Frank Castorf einer der prägenden Regisseure der mit der Berufung Dercons 2017 abgewickelten Castorf-Volksbühne. Zeitweilig leitete er den Prater, die Nebenspielstätte des Theaters am Prenzlauer Berg. Als bestens beschäftigter Freiberufler an den größten (und reichsten) Bühnen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz dürfte Pollesch, einer der gefragtesten deutschen Regisseure, derzeit mehr verdienen als künftig als Intendant. Die Volksbühne wieder zu einem politisch-sozialen Ort zu machen und sich und anderen Künstlern des Hauses damit eine künstlerische Heimat zu organisieren, ist ihm offenbar wichtiger als die Solo-Karriere. Weil der Regisseur in seinen Inszenierungen in Berlin, Zürich oder Wien gerne Stars der alten Volksbühne, neben Rois und Wuttke auch Kathrin Angerer oder Astrid Meyerfeldt, engagiert, wirken seine aktuellen Arbeiten oft wie die Fortsetzung des alten Volksbühnen-Stils mit den vertrauten Kombattanten, nur an anderen Orten.

Gleichzeitig liegt zwischen dem Beginn seiner Intendanz 2021 und dem Ende der Castorf-Ära ein Abstand von vier Jahren. Das ist so viel Zeit, dass die Unterstellungen, seine Berufung sei ein Akt der Nostalgie und ein Versuch, die Castorf-Volksbühne zu reanimieren, ins Leere laufen. Die unter Dörr zu beobachtende Rückkehr zur Stadttheater-Routine bei leichter intellektueller Unterforderung des Publikums ist unter Pollesch zumindest nicht zu befürchten. Seine Berufung ist eine durchaus riskante Wette mit offenem Ausgang - alles andere wäre auch unter der Würde der Volksbühne.

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