Allianz und Axa:Fern vom Kunden

Versicherer brauchen eine Überlebensstrategie, wenn sie angesichts der Macht der Vergleichsportale überleben wollen - mahnt der chinesische Anbieter Ping An.

Von Anna Gentrup, Köln

Europas Versicherer lassen sich von Vergleichsportalen wie Check24 oder Verivox finanziell ausnehmen, weil sie die direkte Verbindung zu ihren Kunden verlieren. Diese düstere Warnung kommt vom weltgrößten Versicherer, der chinesischen Gesellschaft Ping An. "Ich finde es sehr interessant, wie Vergleichsportale in Europa die Profitabilität einiger Arten von Versicherungen ausgeweidet haben", sagte Donald Lacey, Chef des Ping An Global Voyager Fund, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Lacey investiert weltweit für Ping An und hat sich gerade mit 40 Millionen Euro an der Berliner Start-up-Schmiede Finleap beteiligt.

Die Portale haben einen Umbruch ausgelöst. Kunden steuern nur noch im Ausnahmefall direkt die Internetseiten der Versicherer an, weil sie dann jedes Mal neu ihre Daten eingeben müssen. Lieber suchen sie bei den Portalen nach passenden Angeboten. Am Vergleich verdienen die Portale gut, sie erhalten für vermittelte Verträge eine hohe Provision.

"Mich erstaunt, dass die Versicherungsbranche diesen Übergriff in einer derart passiven Weise toleriert hat", findet Lacey. Dabei wäre es vorstellbar gewesen, dass sich die Branche zusammentut, um selbst verbraucherfreundlichere Angebote zu entwickeln, sagte der 43-jährige Amerikaner. Viele traditionelle Versicherer werden erleben, wie ihre Profitabilität kontinuierlich zurückgeht, glaubt er. Sie müssten sich neu erfinden. "Dafür ist es aber nötig, sehr viel angestrengter darüber nachzudenken, wie man Partner und Berater für den Kunden sein kann", sagte er. Lacey rechnet damit, dass es im Markt zu einer Konsolidierung kommt.

Viele Start-ups scheitern, weil sie von null beginnen müssen

Derzeit gehen neue Versicherer mit digitalen Geschäftsmodellen an den Start, Beispiele sind die Sachversicherer One und Coya und der Krankenversicherer Ottonova. Lacey sieht das skeptisch. Die Unternehmen müssen beinahe von null einen Kundenstamm aufbauen, ohne auf eine etablierte Marke und einen guten Ruf zurückgreifen zu können. Einige Start-ups scheitern deshalb und verwandeln sich zu Zulieferern, die digitale Technologien an etablierte Versicherer verkaufen.

Während europäische Versicherer ihr Geschäft eher zögerlich digitalisieren, legt der chinesische Konzern richtig los. "Wir stellen eine solide, ausreichend große Sammlung von digitalen Ökosystemen zusammen, mit denen wir Finanzdienstleistungen anbieten, die der Kunde braucht", sagt Lacey. "Unsere Telemedizin-Plattform Ping An Good Doctor hat mehr als 265 Millionen registrierte Nutzer und 55 Millionen aktive Nutzer pro Monat." Der Online-Autohandel Autohome hat 35 Millionen aktive Nutzer und erzielte 2018 mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz.

Über die Plattformen erhält Ping An eine Fülle von Informationen, mit denen der Versicherer Kunden das passende Produkt anbieten kann. Die Gruppe speichert die Daten in einer modernen Infrastruktur, sodass der Versicherer sie analysieren und jederzeit nutzen kann. Praktisch das gesamte Geschäft liegt in einer Cloud. "Wir haben nicht wie viele andere die Altlasten bei Bestandssystemen und Daten-Architektur."

Ping An sieht sich auch ganz vorn beim Einsatz von selbstlernenden Algorithmen, der künstlichen Intelligenz. Daran führe kein Weg vorbei, glaubt Lacey. "Es wäre sehr gefährlich, das zu ignorieren." In China setzt Ping An künstliche Intelligenz vielfältig ein, etwa in der Schadenbearbeitung, der Betrugsanalyse oder der Stimmen- und Gesichtserkennung. Der Konzern beschäftigt mehr als 29 000 IT-Entwickler und verfügt über die nötigen finanziellen Ressourcen, um neue Technologien zu entwickeln.

Das alles soll engeren Kundenkontakt ermöglichen. "Die fast unumstößliche Regel im Finanzdienstleistungsgeschäft mit Endkunden ist: Wer dem Kunden am nächsten ist, wird bei vielen Finanztransaktionen den Großteil des Gewinns erzielen", sagte Lacey. Er bietet Ping Ans Hilfe an: "Wir können uns vorstellen, mit europäischen Versicherern zusammenzuarbeiten."

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