Steinhöring:Kein Einzelfall

Solidaritätsaktion für Hanslmeier-Prockl

Mitarbeiter und Betreute haben für Gertrud Hanslmeier-Prockl gekämpft - nun kehrt sie an ihren Arbeitsplatz zurück.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hanslmeier-Prockl ist nicht die einzige, der die Katholische Jugendfürsorge gekündigt hat

Von Viktoria Spinrad, Steinhöring/München

Kündigung, Freistellung und nun die Rücknahme: Die Kehrtwende des kirchlichen Trägers in der Causa Hanslmeier-Prockl haben Beobachter mit Erleichterung aufgenommen. Zum Beispiel Thomas Huber. Die außergerichtliche Einigung "stärkt auch wieder meinen Glauben in die Kirche", so der Grafinger CSU-Landtagsabgeordnete. Gleichzeitig aber ist klar: Vor dem Münchner Arbeitsgericht wird die Katholische Jugendfürsorge (KJF) im Juni trotzdem erscheinen müssen - wenn auch in einer anderen Sache.

Ganze sechs Stunden hätten Gertrud Hanslmeier-Prockl, Mitglieder von Verein, Vorstand und Aufsichtsrat miteinander gerungen, um dann zu einem einstimmigen Beschluss zu kommen, so schildert der Markt Schwabener Altbürgermeister Bernhard Winter das Schlichtungsgespräch. Dabei habe auch der Aufsichtsratsvorsitzende und ehemalige Ministerialdirektor Friedrich Seitz "eine sehr kluge, empathische und faire Vorgehensweise gewählt", so Winter. Er verweist auf die Ankündigung der KJF München, ihre drei Bereiche (Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe und Gesundheitshilfe) enger zu verzahnen. So stecke in dieser Krise eine Chance, "dass es besser weitergehen kann als vorher".

Hanslmeier-Prockl wird am Montag an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, der siebenköpfige Aufsichtsrat wird in den nächsten Wochen dem Vernehmen nach die Rücknahme ihrer Kündigung beschließen, eine Kollegin muss dagegen weiter um ihre berufliche Zukunft bangen. Wie das Münchner Arbeitsgericht auf Nachfrage mitteilt, klagt zurzeit die ehemalige Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe vor dem Gericht - also die Gesamtleiterin jener KJF-Dependencen, zu denen Hanslmeier-Prockl Verbesserungsvorschläge gemacht haben soll. Die 57-Jährige soll die 25 Einrichtungen zwischen Freising, München und Traunstein als Gesamtleiterin etwa vier Jahre lang betreut haben, bevor ihr der Träger - ähnlich wie bei Hanslmeier-Prockl - offenbar ohne Begründung kündigte, was sie nicht hinnehmen wollte. Vor dem Münchner Arbeitsgericht lief bereits eine Güteverhandlung, die zweite ist für den 27. Juni angesetzt. Die Betroffene selbst möchte sich auf SZ-Anfrage zu ihrem Fall nicht äußern.

Derweil teilt das Münchner Arbeitsgericht mit, dass gegen die KJF München in den vergangenen zwanzig Jahren, also seit Bartholomäus Brieller Vorstandsvorsitzender ist, knapp hundert Verfahren geführt worden sind - wegen Kündigungen, aber auch wegen "einstweiliger Verfügungen, Zeugnisstreitigkeiten etc.", so eine Sprecherin.

Anruf in Berlin. Peter Meyer ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und vertritt auch kirchliche Träger vor Gericht. Seiner Einschätzung nach ist der Umstand, dass ein kirchlicher Träger mit 85 Einrichtungen und 2500 Mitarbeitern in den vergangenen zwanzig Jahren knapp hundert Verfahren vor den Arbeitsgerichten geführt hat, unauffällig. "Auch in der katholischen Kirche kommen Kündigungsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten vor", so Meyer. Die Anzahl der Verfahren sage nichts darüber aus, ob der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer fair oder unfair behandle. Diese Rechtsstreitigkeiten könnten ganz unterschiedliche Sachverhalte betroffen haben: "Offene Überstundenzuschläge für Nachtdienste oder den Diebstahl von Gegenständen durch einen Mitarbeiter." Streitigkeiten könnten auch im Zusammenhang mit betrieblich bedingten Umstrukturierungen stehen - wie es offenbar auch bei der KJF Thema war. "Viele soziale Einrichtungen stehen unter finanziellem Druck, haben Probleme, schwarze Zahlen zu schreiben", sagt Meyer.

Dass die Kündigungsschreiben an die Leiter einer Einrichtung keine Kündigungsbegründung enthalten, sei ebenfalls "nicht ungewöhnlich". Laut der katholischen Mitarbeitervertretungsordnung müsse auch die Mitarbeitervertretung als Pendant zum Betriebsrat nicht vor einer Kündigung von Einrichtungsleitern beteiligt werden. Mitarbeiter und Betreute in Steinhöring fordern, dass die KJF "die Katze aus dem Sack lassen müsse". Aus der Sicht Meyers ist es aber nicht üblich, dass der Träger die Inhalte der Kündigungsgründe den Mitarbeitern mitteile. "Die Träger dürfen das zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Gekündigten gar nicht breittreten", so Meyer. Die KJF hat angekündigt, sich nach den Ferien auch zur Kündigung der Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe und der Zahl der Gerichtsverfahren zu äußern.

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