H1N1:Schweinegrippe ähnelt Pandemie von 1957

Die Schweinegrippe beginnt ähnlich wie die Asiatische Grippe vor gut 50 Jahren. Wie sie sich weiterentwickelt, ist nur schwer zu kontrollieren.

Christina Berndt

Wenn man nicht weiß, was die Zukunft bringt, versucht man, aus der Vergangenheit zu lernen. Nach diesem Prinzip ist ein Team des Imperial College in London vorgegangen, um die weitere Entwicklung der derzeit grassierenden Schweinegrippe vorherzusagen.

Sie entdeckten, dass die aktuelle H1N1-Ausbreitung dem Beginn der Asiatischen Grippe von 1957 ähnelt, die als zweitschwerste Grippewelle des vergangenen Jahrhunderts gilt. Insofern habe die Schweinegrippe aus Mexiko tatsächlich das Potential für einen weltumspannenden Seuchenzug, eine Pandemie, berichten die Wissenschaftler um Neil Ferguson im Fachmagazin Science.

Gründe für die Ähnlichkeiten der beiden Grippewellen gebe es mehrere, meinen die Forscher. So seien das aktuelle H1N1-Virus und das H2N2-Virus der Asiatischen Grippe vergleichbar leicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Auch führten beide bei einem geringen Teil der Infizierten zum Tode, nämlich bei etwa vier von tausend.

Ob dieser Vergleich beruhigt oder erschreckt, ist Ansichtssache. Rund eine Million Tote gingen vor gut 50 Jahren auf das Konto des Virus vom Typ H2N2, das von China ausgehend den Planeten heimsuchte.

Doch die Zahl der Opfer muss man in Relation zur gewöhnlichen Grippe setzen, die alljährlich um die Welt geht. Dann erscheint sie nicht mehr so gewaltig. Die saisonale Influenza fordert in jedem Winter allein in Deutschland rund 10.000 Todesopfer und weltweit 500.000.

Zudem habe sich die Gesundheitsversorgung in den meisten Ländern seit 1957 dramatisch verbessert, beruhigt Ferguson, und die Menschheit sei besser auf eine Pandemie vorbereitet. "Was wir sehen, ist also nicht das gleiche wie die saisonale Grippe", so der Epidemiologe, "denn wir erwarten, dass H1N1 mindestens die doppelte Last mit sich bringt. Aber unser Modell lässt auch vermuten, dass das Virus nicht so leicht übertragen wird und so tödlich ist wie das Virus der Spanischen Grippe von 1918." Diese hatte weltweit zwischen 25 und 50 Millionen Tote gefordert.

61 Menschen starben an H1N1

Am Dienstag war die Zahl der Schweinegrippe-Todesopfer nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf 61 gestiegen, nur fünf Todesfälle ereigneten sich außerhalb von Mexiko. Insgesamt gibt es 5251 bestätigte H1N1-Ansteckungen in 30 Ländern. Auch Finnland, Kuba und Thailand haben mittlerweile erste bestätigte Fälle gemeldet.

Die WHO warnte am Dienstag erneut davor, die Schweinegrippe als erledigt zu betrachten. Zwar habe sich der Erreger nicht als so gefährlich erwiesen wie zunächst befürchtet - außerhalb Mexikos seien fast nur Menschen mit schweren Vorerkrankungen an H1N1 ernsthaft erkrankt oder gestorben; doch der Erreger könne jederzeit zu einer tödlicheren Variante mutieren.

H1N1 werde wahrscheinlich wie andere Grippeviren auch mindestens zweimal, wenn nicht dreimal um die Welt kreisen und sich dabei ständig verändern, schreibt die WHO in einem jetzt vorgestellten Dokument zur Analyse von Influenza-Pandemien. Auch die Spanische Grippe habe als leichte Influenza begonnen und sei dann nach sechs Monaten mit tödlicher Wucht zurückgekehrt.

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