Zukunftsprojekt:Es fährt ein Zug von Nürnberg nach Chengdu

Zukunftsprojekt: Das TriCon Container-Terminal verbindet den Bayernhafen Nürnberg per Intermodalzug einmal wöchentlich mit Chengdu in China.

Das TriCon Container-Terminal verbindet den Bayernhafen Nürnberg per Intermodalzug einmal wöchentlich mit Chengdu in China.

(Foto: bayernhafen Nürnberg)

Noch weiß niemand ganz genau, wie China die neue Seidenstraße ausgestalten wird. Doch Franken will jetzt schon von dem Milliardenprojekt profitieren.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

"Ein Weckruf für deutsche Unternehmer" sollte er nach den Vorstellungen des mittelfränkischen IHK-Präsidenten Dirk von Vopelius sein, jener Kongress, der sich im vergangenen Jahr in Nürnberg erstmals mit der neuen Seidenstraße befasste. Jenem 1000-Milliarden-Dollar-Projekt, das der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping 2013 bei einem Staatsbesuch in Kasachstan ausgerufen hat. China, so seine Ankündigung, werde mit dieser in der neueren Geschichte beispiellosen Investition wirtschaftlich näher an den Rest der Welt heranrücken. Über neue Verkehrskorridore, vornehmlich nach Europa.

Auf dem Kontinent rätseln die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen noch, was sie von der chinesischen "Belt and Road Initiative" halten sollen, die an den antiken Seidenstraße-Handelsweg zwischen Asien und Europa anknüpfen will. Außer Italien hat sich bislang keiner der führenden sieben Industriestaaten als Anhänger geoutet und seine Mitarbeit angekündigt. Vielmehr herrscht breite Skepsis, China könnte sich über die neue Seidenstraße wirtschaftliche Hegemonialträume erfüllen.

Wenig vertrauenerweckend sind Berichte, wonach 90 Prozent der Aufträge für damit verbundene neue Straßen, Eisenbahnschienen, Brücken, Kraftwerke, Pipelines, Häfen, Flughäfen und anderen Infrastruktureinrichtungen an chinesische Firmen gehen, von seriöser öffentlicher Auftragsvergabe nicht die Rede sein könne und der Rest der Welt an der Seidenstraße kaum bis gar nicht partizipiere. Über fehlende Transparenz wird geklagt und darüber, dass China das Projekt auch nutze, um vor allem ärmere Länder von sich abhängig zu machen. Insgesamt will China für die neue Seidenstraße in mehr als 60 Ländern investieren. Die EU hat bislang noch keine einheitliche Position zu dem Mega-Projekt gefunden.

In Nürnberg halten sich Skepsis und Zweifel in Grenzen. Stattdessen überwiegen die Hoffnungen auf gute Geschäfte und strategische Vorteile mit dem Blick auf Rest-Europa. Schon jetzt ist die fränkische Halbmillionenstadt auch im internationalen Maßstab ein Logistik-Knotenpunkt, wo sich ein leistungsfähiges Straßen- und Schienennetz sowie eine Wasserstraße kreuzen. An die 25 000 Arbeitsplätze allein in Nürnberg sind in der Logistiksparte, die Außenhandelsquote des Standorts liegt bei mehr als 50 Prozent. Nun will Nürnberg erklärtermaßen ein europäischer Knotenpunkt an der neuen Seidenstraße werden. Und der Hafen mit seinem angeschlossenen Güterverkehrszentrum spielt dabei eine zentrale Rolle.

Was das Projekt neue Seidenstraße angehe, gäbe es nur drei Möglichkeiten, sinnierte einmal der frühere Hafen-Chef Harald Leupold. "Sie ignorieren es, dann versäumen Sie etwas. Sie wollen es behindern, ohne dass Sie wissen, worum es geht, dann ist es ein vergebener Kraftakt. Oder Sie suchen intelligente Kooperationsmöglichkeiten und machen den chinesischen Partnern klar: Trotz Größenunterschieden sind wir auf Augenhöhe."

Eine offizielle Wirtschaftskooperation gibt es schon

Man entschied sich für Letzteres. Bereits seit 2015 startet in Nürnberg regelmäßig ein Güterzug Richtung Chengdu, eine 15-Millionen-Einwohner-Metropole im Westen Chinas. Das Einzugsgebiet umfasst 27 Millionen Menschen. Seit November 2017 ist die Industriestadt mit Nürnberg über eine offizielle Wirtschaftskooperation verbunden. In der Regel ist jeder dieser Güterzüge mit 54 Containern beladen. 15 Tage dauert die Fahrt, etwa halb so lange wie der Gütertransport per Schiff dauern würde. Dem Vernehmen nach werden hauptsächlich Komponenten für die Automobilindustrie, Babynahrung oder andere Lebensmittel nach China transportiert.

Die etwa 10 000 Kilometer lange Route führt über Polen, die Ukraine, Weißrussland, Russland und Kasachstan nach China. Zurück nach Nürnberg kommen die Züge ebenfalls voll beladen, hauptsächlich mit Elektronik.

Mindestens einmal pro Woche geht es hin und her. Bei alledem erweist sich in Nürnberg das Containerterminal im Hafen als Drehscheibe. Von hier aus werden die aus China angekommenen Güter an ihre Bestimmungsorte hauptsächlich im süddeutschen Raum und dem benachbarten Ausland weitertransportiert, mit Lastwagen, Zügen oder Schiffen. Was Bayern angeht, ist China übrigens schon seit geraumer Zeit der wichtigste Handelspartner. 2017 wurden von dort Waren im Wert von 15,3 Milliarden Euro in den Freistaat importiert und umgekehrt Güter für 16 Milliarden Euro exportiert. Allein die Wirtschaftsregion Nürnberg umfasst etwa 2500 auslandsaktive Unternehmen.

Wie groß über alle Kritik und politischen Bedenken hinaus das Interesse ist, vom Seidenstraßenprojekt zu profitieren, zeigte sich auch beim eingangs erwähnten Kongress 2018. Binnen kurzer Zeit war er mit 250 Teilnehmern im Nürnberger Messezentrum ausgebucht. Die Neuauflage steigt am 2. Oktober 2019.

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