"Prepper"-Szene:Vorbereitet auf "Tag X"

Durchsuchungen bei Anti-Terror-Razzia

Schon im August 2017 gab es spektakuläre Durchsuchungen bei den Mitgliedern der "Nordkreuz"-Gruppe - damals noch ergebnislos.

(Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Eine Gruppe ehemaliger und aktiver Elitepolizisten soll sich darauf vorbereitet haben, dass der Staat eines Tages die Kontrolle verliert.
  • Sie sollen unter anderem Munition entwendet und Todeslisten mit den Namen bestimmter Politiker angelegt haben.
  • Die Verdächtigen sagen: Alles nur ein Spiel. Das Bundeskriminalamt sieht das anders und hat vier von ihnen verhaftet.

Von Florian Flade, Georg Mascolo und Ronen Steinke, Berlin

In der Garage von Marko G. in dem kleinen Örtchen Banzkow, südlich von Schwerin, stehen Wasserkanister; dort steht aber auch Schnaps. Als Tauschmittel, so hat er es einmal einem Fernsehteam des NDR gesagt. Für den Fall, dass das Währungssystem zusammenbricht. Marko G., grauer Dreitagebart, AfD-Mitglied und langjähriger Polizist beim Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamts (LKA) Mecklenburg-Vorpommern, verbringt seine Freizeit damit, sich für düstere Szenarien zu wappnen. Er tut das gemeinsam auch mit anderen Polizisten und Soldaten, vor allem aus Eliteeinheiten. Anfang 2016 setzte Marko G. dafür im Messengerdienst Telegram die geschlossene Chatgruppe "Nordkreuz" auf.

Er war derjenige, der dort die meisten Nachrichten verschickte, hat ein Insider dem Bundeskriminalamt verraten. Er war angeblich auch derjenige, der sich um "das Organisatorische" gekümmert habe in der Gruppe, um gemeinsame Ausflüge, auf Schießstände zum Beispiel oder auf Waffenmessen. Und er, Marko G., war auch einer derjenigen, die gegenüber misstrauischen Polizei-Vorgesetzten und Staatsschützern stets betonten: Das sei alles nur ein Spaß. "Preppen", vom englischen to prepare, also vorbereiten für den Katastrophenfall - das sei ein Hobby, sagte Marko G. Auch Polizisten dürfen Hobbys haben.

Nun sind bei Marko G. etwa 10 000 Schuss Munition gefunden worden, heimlich soll er sie gemeinsam mit drei Polizeikollegen jahrelang aus Beständen des LKA abgezweigt haben. Einer der mutmaßlichen Komplizen ist noch im aktiven Dienst beim Spezialeinsatzkommando, zwei weitere sind noch bei der Polizei. Seit April 2012, so vermuten die Ermittler, entwendeten sie die Kugeln. Und Marko G. sammelte die ganze Beute ein. Bislang war der Mann stets nur als Zeuge geführt worden in den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wegen möglicher rechtsterroristischer Planungen in seinem "Nordkreuz"-Freundeskreis.

Die Chatfreunde besprachen Vorbereitungen für den "Tag X"

Jetzt gilt Marko G. erstmals auch als Beschuldigter - zumindest wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz sowie gemeinschaftlichen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft Schwerin durchsuchte am Mittwoch Wohnungen und Diensträume in der Umgebung, unter anderem in Güstrow, Waldeck, Banzkow. Sie durchsuchte auch Räume in jener Filiale des LKA, in der die Elitebeamten des Spezialeinsatzkommandos untergebracht sind. Marko G. und die drei weiteren Verdächtigen wurden verhaftet, nach den Worten des Landesinnenministers Lorenz Caffier (CDU) sollen sie nun möglichst aus dem Polizeidienst entlassen werden.

Damit erhärtet sich der schon länger bestehende Verdacht der Ermittler, dass zumindest einige in der "Nordkreuz"-Gruppe das Gesetz ganz real in die eigene Hand nehmen wollten. Die Welt der Prepper ist groß und keineswegs durchgehend kriminell, es ist eine unübersichtliche Szene. Laut einem vertraulichen Lagebild des Bundeskriminalamts und des Verfassungsschutzes von Juni 2018 geht von der Mehrheit keine Gefahr aus. Aber die Szene ziehe mitunter Rechtsextreme und sogenannte Reichsbürger an. In den Chats der Nordkreuz-Truppe ging es besonders heftig zu, die Chatfreunde besprachen, wie man sich auf einen "Tag X" vorbereiten könne. Bisher haben die Behörden nicht klären können, was damit gemeint war - ob die Männer auf eine Katastrophe warten oder eine solche Katastrophe vielleicht auch selber auslösen wollten.

Mal ging es in ihren Chats unter der Leitung des Administrators Marko G. um den wirtschaftlichen Zusammenbruch, dann spielte die "Überfremdung Deutschlands" durch Flüchtlinge eine zentrale Rolle. Immer wieder war auch von "Safe-Häusern" die Rede, in denen große Mengen Lebensmittel, aber auch Waffen gehortet werden sollten. Trotz intensiver Suche der Ermittler ist jedoch bis heute keines dieser Häuser gefunden worden. "Die gibt's nicht wirklich", hat einer der wichtigsten "Nordkreuz"-Netzwerker, der ehemalige KSK-Soldat André S. - Chatname: Hannibal - in einer Vernehmung beteuert. Das seien alles nur Fantasien, "Hirngespinste".

Hannibal erklärte: Wenn im Chat die Rede von einem Safe House sei, dann wüssten alle Teilnehmer, dass dies nicht wörtlich gemeint sei. "Es geht um Planspiele und nicht um Realitäten." Und: "Man denkt sich Lagen aus und plant." Die Ermittlungen gegen André S. alias Hannibal haben juristisch fast nichts erbracht, nur ein paar alte Zünder für Übungshandgranaten fand man bei Hannibals Eltern, nicht stärker als Silvesterkracher. Für einen Terrorvorwurf genügte dies nicht, nur für ein Verfahren nach dem Waffengesetz.

Nordkreuz-Mitglieder sollen Todeslisten mit Namen von Politikern angelegt haben

Aber in Schwerin gingen die Ermittlungen offenbar weiter - mit Blick vor allem auf Marko G., den Polizisten. Und hier fand man nun wesentlich umfangreicheres Waffenlager. Schon im August 2017 gab es spektakuläre Durchsuchungen, damals noch ergebnislos. Seinerzeit war von "Todeslisten" die Rede, die einzelne "Nordkreuz"-Mitglieder angelegt hätten. Die Chatfreunde sollen es im Falle von Unruhen darauf angelegt haben, bestimmte Politiker zu töten, die für eine liberale Flüchtlingspolitik stehen. In einem Leitz-Ordner soll einer von ihnen, der Rostocker Rechtsanwalt Jan Hendrik H., in seiner Garage die Liste aufbewahren. Bei einem Treffen mit einer Handvoll Chatfreunden dort habe er das Ende 2016 hergezeigt, soll ein Zeuge dem BKA anvertraut haben.

Der Anwalt Jan Hendrik H. habe dabei gesagt, "dass die Personen gesammelt und zu einem Ort verbracht werden sollen, an dem sie dann getötet werden sollen". Das sei alles nur ein Spiel, fand allerdings auch dieser Zeuge, ein ehemaliger Bundeswehrmajor aus dem Raum Rostock, der im Juli 2017 vor den Ermittlern des BKA auspackte. "Es handelte sich dabei aber nur um Gedanken" des Rechtsanwalts und sei noch nicht konkret gewesen.

Was also hat es auf sich mit "Tag X"? Der Zeuge, der ehemalige Bundeswehrmajor, soll den Ermittlern seine Ängste beschrieben haben. Da sei "in erster Linie" die Angst vor gewaltsamen Übergriffen von Flüchtlingen auf Kinder und auf Frauen, vor einer "Verslumung der Städte", aber auch vor der Überschuldung der Kommunen. Ebenso "die Angst davor, dass der Staat sein Gewaltmonopol verliert und seinen Aufgaben dadurch nicht mehr nachkommen kann". Es sei also um die Frage gegangen, was die Beamten tun müssten, wenn sie in der Not einst selbst das Kommando übernehmen müssten.

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