Fußballzeitschriften:Ins Abseits

Fußballzeitschriften: Vom Aussterben bedroht? Zeitschriften über den Amateurfußball.

Vom Aussterben bedroht? Zeitschriften über den Amateurfußball.

(Foto: Saar-Amateur, Fußball-Woche, Revier Sport. Collage: SZ.)

Profifußball ist längst ein gewaltiges Unterhaltungsgeschäft. Aber auch im Amateursport wittern Unternehmer digital das große Geld. Nur: was wird aus den Traditionsblättern im Sportheim?

Von Max Ferstl

Dass es vorbei ist, hat Georg Müller schon länger gewusst, aber er behielt dieses Wissen für sich, monatelang. Müller, der Redaktionsleiter des Saar.Amateur, hatte ein wenig Angst: Wie würden die Mitarbeiter reagieren? Enttäuscht? Wütend? "Natürlich denkt man manchmal: Scheiße, einige machen das seit mehr als 20 Jahren."

Seit 1994 hat Müller mit seinem Team den saarländischen Fußball dokumentiert. Wie der SV Geislautern gegen SC Altenkessel spielte, Landesliga Süd. Oder die Aufstellung der Partie SC Eiweiler II gegen SV Wustweiler II, Kreisliga A. Wer im Saarland am Sonntag gegen den Ball trat, konnte darüber in der folgenden Woche im Saar.Amateur lesen. In der Statistik wurden die besten Spieler gefettet. "Klar, da guckte jeder", sagt Müller. Doch gekauft haben die Zeitschrift für 3,10 Euro immer weniger, die Auflage fiel auf 2000 Exemplare. Weitermachen, das wusste Müller, lohnte sich nicht mehr. Das sahen auch seine Mitstreiter so, die Reaktionen seien "sehr warm" gewesen. Traurig, aber warm. Anfang Juni erschien die letzte Ausgabe.

Der Fußball ist immer auch ein Geschäft mit den Emotionen, wobei es den Fußball genau genommen gar nicht gibt. Es gibt den Fußball der Profis, bei Sky und DAZN aus allen Kamerawinkeln betrachtet, als Teil einer gigantischen Unterhaltungsindustrie. Und es gibt den Fußball der Amateure, jedes Wochenende auf den Bolzplätzen des Landes, "mit geringer Ambition und großer Leidenschaft", wie Müller sagt. Dieser Fußball riecht nach Bratwurst und Wiese. Und er gilt als "ehrlich", auch weil Menschen wie Müller, selbst jahrelang Stürmer, über ihn berichten.

Die erste Ausgabe des Saar.Amateur bastelten sie im Saarbrücker Gasthaus Zahm, Disketten mit Spielberichten wurden quer durchs Saarland gefahren. "Wir hatten nicht den geringsten Plan", sagt Müller. Insofern sei der Name schon passend: Amateure berichten über Amateure. 1994 war das eine gute Idee, weil die Zeitungen nur über die großen Vereine berichteten: 2000 Stück der ersten Ausgabe wurden verkauft, "ohne dass wir groß Werbung machen mussten". Das Blatt lag bald in jedem Vereinsheim, "eine Instanz" schreibt der Gladbacher Profi Patrick Herrmann, der früher beim FC Saarbrücken spielte. Und die Zeitschrift wurde professioneller, als später die Saarbrücker Zeitung einstieg. Der Erscheinungstermin wurde von Donnerstag auf Montag vorgezogen, für mehr Aktualität. Hieß aber auch: Mehr Stress für Müller und sein Team. Die Partien wurden um 16.45 abgepfiffen, um 21.30 mussten 80 Seiten voll sein. Das war schnell - und doch zu langsam. Vor ungefähr sechs Jahren hörte Müller zum ersten Mal etwas von einer Onlineplattform namens Fupa.net.

Das Portal wurde 2006 gegründet. Dort können Vereine nach einem Spiel alle Daten hochladen, Spielbericht, Tabellen, Torschützen - alles war kurz nach Abpfiff für alle im Netz. Kostenlos. "Ich wusste, wenn im Internet so etwas gut funktioniert, ist der Saar.Amateur Geschichte", sagt Müller. Denn Fupa kümmert sich zugleich um die Vermarktung, Zeitungen und Verlage können Franchise-Nehmer werden. Fupa, einst als Kurzform von Fußball Passau gegründet, gibt es heute auch in Schleswig-Holstein. Für das Saarland wird künftig Müller die Plattform bestücken. So gesehen berichten weiterhin Amateure über Amateure - aber in professionellem Rahmen.

Der Markt ist riesig. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) geht von etwa 20 Millionen aktiven Fußballspielern und -Interessierten aus. Es gibt knapp zwei Millionen Spiele pro Saison, zu denen jede Woche rund 2,35 Millionen Zuschauer gehen. Wie interessant der Amateurfußball aus kommerzieller Sicht ist, zeigt auch ein Rechtsstreit vor vier Jahren in Bayern. Es ging um die Rechte am Videomaterial von Amateurfußballspielen. Einige Zeitungen hatten gegen den Bayerischen Fußballverband geklagt, weil der eine Gebühr für die Übertragung oder das Material gratis für die eigene Plattform haben wollte.

Der Verband bekam Recht. Unternehmer hoffen längst auf das große Geschäft im Amateurbereich. Die Plattform Sporttotal.tv etwa stattet Fußballplätze ab der Regionalliga mit Kameras aus und überträgt live im Internet. Das Ziel sei, sagte der Vorstandsvorsitzende Peter Lauterbach vor Kurzem der Welt, das "Netflix des Amateursports" zu erschaffen.

"Wochenaktuelle Berichterstattung braucht es eigentlich nicht mehr", sagt Marcel Hager, Geschäftsführer von Sportplatz Media. Auch diese Firma bündelt die lokale Fußballberichterstattung, bietet regionalen Medien technische Hilfe an, wirbt für Werbepartner. 230 Medien gehören zum Netzwerk, dem größten in Deutschland. Anders als bei Fupa sollen allerdings regionale Marken erhalten bleiben, zum Beispiel die Fußball-Woche in Berlin.

Sie erschien bereits 1923, und Chefredakteur Horst Bläsig ist durchaus stolz: "Die FuWo haben auch Nationalspieler wie Littbarski unter der Schulbank gelesen", glaubt er. Das Magazin habe in Berlin eine Art Monopol, weil die großen Zeitungen sich vor allem für Hertha BSC und Union interessieren, die beide in der Bundesliga spielen. "Vielleicht ist das der Grund, warum es uns noch gibt."

Doch auch Bläsig muss kämpfen, die Auflage ist auf etwa 15 000 zurückgegangen, allerdings hat sein Blatt einen konstanten Stamm an Abonnenten. Die Redaktion ist klein, nur eine Handvoll Leute. Den Onlineauftritt hat er deshalb an Sportplatz Media "outgesourced", wie er sagt. Im wöchentlich erscheinenden Magazin versucht er aktuelle Berichterstattung mit Hintergründigem zu mischen. Zum Beispiel haben sie mal sämtliche Fußballplätze in Berlin einem Check unterzogen: Wie gut die Bratwurst des eigenen Vereins im Innerberliner Vergleich abschneidet, erfährt man nur in der Fußball-Woche.

Das hilft, um über die Runden zu kommen. "Aber natürlich ist die Situation extrem angespannt", sagt Bläsig. Es sei jedes Jahr ein Kampf, die Existenz zu sichern.

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