Umweltpolitik:"Wir sind nicht auf Kurs"

Soll es für Klimaschutz Zertifikate geben, die dann verkauft werden können? Bei einer Konferenz in Bonn stehen heikle Fragen an.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Braunkohlekraftwerk Niederaußem

Das Braunkohlekraftwerk Niederaußem im Westen von Nordrhein-Westfalen.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Im Schatten der internationalen Protestbewegung für mehr Klimaschutz treten Regierungsbeamte aus aller Welt an diesem Montag zu Klimagesprächen in Bonn zusammen. Die knapp zweiwöchige Konferenz findet jedes Jahr im Juni am Rhein statt und dient der Vorbereitung der UN-Klimakonferenz, die im Dezember in Santiago de Chile beginnt.

Im Mittelpunkt der Beratungen steht der Streit um die sogenannten Marktmechanismen. Sie würden es Staaten erlauben, Klimaschutz auch im Ausland zu betreiben - indem sie etwa dort Aufforstungen finanzieren. Das Klimaabkommen von Paris lässt solche Mechanismen zu. Wie sie aber aussehen können, darüber hatten sich die Staaten schon beim Klimagipfel in Kattowitz nicht verständigen können. Das Thema ist heikel: Damit ein solcher Markt in Gang kommt, bräuchte es ein System aus Zertifikaten, mit denen sich Klimaschutz entgelten lässt. Wer also etwa ein Stück Land aufforstet oder anderweitig Klimaschutz betreibt, könnte dafür Zertifikate erlangen, die sich wiederum an Industriestaaten verkaufen ließen. Die könnten auf die Weise ihre Klimabilanz aufbessern.

Von dem Treffen hängt ab, was der Klimagipfel im Dezember erbringt

Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen aber auch, wie missbrauchsanfällig solch ein System ist. Damit es sich für das Klima auszahlt, müsste es sehr genau überwacht werden. So dürfte ein Staat, auf dessen Territorium solche Zertifikate entstehen, sich diesen Klimaschutz nicht selber anrechnen. "Solche Doppelzählungen würden das Pariser Abkommen aushöhlen", sagt Michael Schäfer, Klimaexperte bei der Umweltstiftung WWF. Zudem muss sicher sein, dass unter dem Strich tatsächlich Emissionen vermindert werden. Es gab Fälle, da wurden extrem klimaschädliche Fabriken errichtet, um sie anschließend gegen Zertifikate wieder stillzulegen. Auch die Entwicklungsorganisation Germanwatch warnt vor Marktmechanismen, die dem Klima schaden könnten: "Es wäre sogar besser, sie gar nicht zu beschließen, statt gewaltige Schlupflöcher zuzulassen", sagt Germanwatch-Chef Christoph Bals.

Konkrete Beschlüsse werden in Bonn, wo Beamte in Arbeitsgruppen und Unterausschüssen zusammenkommen, nicht erwartet. Von dem Treffen hängt aber auch ab, wie weit die Staaten beim Klimagipfel im Dezember kommen. Die Staaten müssten deutlich schneller deutlich mehr für den Klimaschutz tun, forderte UN-Klimasekretärin Patricia Espinosa. "Wir sind nicht auf Kurs. Bei Weitem nicht."

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