Nahaufnahme:Botschafterin für Chancen

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"Unsere Vorstellung von künstlicher Intelligenz ist von den Ideen von Hollywood-Regisseuren geprägt." (Foto: OH)

Omoju Miller hilft Programmierern bei künstlicher Intelligenz.

Von Kathrin Werner

Omoju Miller kann sich an ihr Gefühl erinnern, als sie das Internet entdeckte. "Es war, als ob plötzlich alles möglich sei", sagt sie. "Alles Wissen der Welt war zugänglich. Alles, was ich tun wollte, konnte dort passieren." Sie weiß noch, wie es war, als sie 1998 zum ersten Mal etwas im Netz kaufte. Sie suchte sich auf einer Website ein Paar Stiefel aus, blieb dabei völlig unsichtbar, plötzlich kam eine Kiste in ihrem Studentenzimmer an. "Es war wie Zauberei."

Sie hatte damals gerade mit dem Studium begonnen und wechselte sofort das Fach, von BWL zu Informatik. Seither ist sie eine Botschafterin für die Chancen, die neue Technik mit sich bringt. Inzwischen ist ihr großes Thema die künstliche Intelligenz (KI). Die 39-Jährige ist KI-Datenwissenschaftlerin bei Github, einer Internetplattform, auf der mehr als 30 Millionen Programmierer rund um die Welt gemeinsam an Projekten arbeiten. Miller hilft ihnen bei Fragen zur künstlichen Intelligenz und zeigt, wie diese ihre Arbeit effizienter machen kann.

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Es ärgert sie, dass viele Menschen Angst vor künstlicher Intelligenz haben. "Wir denken sofort an die Science-Fiction-Filme, mit denen wir aufgewachsen sind", sagt sie. "Unsere Vorstellung von künstlicher Intelligenz ist von den Ideen von Hollywood-Regisseuren geprägt." Miller will andere Geschichten erzählen, etwa wie selbstlernende Programme Krebserkrankungen besser erkennen als menschliche Ärzte. Oder wie jeder von uns schon heute künstliche Intelligenz verwendet, etwa bei einer Google-Suche, meist ohne es zu wissen.

Miller ist eine ungewöhnliche Botschafterin für künstliche Intelligenz. Die meisten KI-Forscher und -Entwickler sehen anders aus als sie, eine schwarze Frau. Dass das so ist, fiel ihr anfangs gar nicht auf, sagt sie. Sie stammt aus Nigeria, also einem Land, in dem ihre Hautfarbe nicht auffällt. Als sie zum Studium in die USA kam, weil in Nigeria die Universitäten wegen Streiks lange geschlossen waren, dauerte es eine Weile, bis sich ihr Blick für Rassenunterschiede schärfte - und sie bemerkte, dass sie meist die einzige Frau war.

Inzwischen ist es ihr wichtig, junge Frauen und nicht-weiße Menschen für Computer und künstliche Intelligenz zu begeistern. Sie hat eine Zeit lang für Google gearbeitet und da ein Projekt gegründet, das mehr Mädchen für Programmieren begeistern soll. Es heißt "Made With Code". Für das Weiße Haus unter Präsident Barack Obama war sie Teil einer Expertengruppe für Innovation. "Seit den 80er-Jahren werden Computer als Spielzeuge für Jungs vermarktet", sagt sie. "In den meisten Familien landeten sie in den Kinderzimmern der Jungs. Die Jungs beschäftigten sich mehr mit ihnen, wurden darum besser. Aber sie sind nicht von Natur aus besser."

Sie will besser erklären, warum künstliche Intelligenz faszinierend ist. "Mich interessiert, warum wir Menschen sind, wie wir sind." Der Versuch, das menschliche Gehirn mit einer Maschine nachzubauen, ist für sie so spannend, weil sie sich Grundsatzfragen stellen muss: Wie funktionieren unsere Gehirne überhaupt? "Ich versuche, das Gehirn zu verstehen, indem ich ein Modell von ihm baue." Die Technik will sie dann in den Alltag der Menschen bringen. "Mir ist zum Beispiel wichtig, Frauen bei den Tausenden Entscheidungen zu helfen, die sie nach Feierabend treffen und die so viel Energie kosten", sagt sie.

Miller denkt etwa an Musikinstrumente, die Eltern für ihre Kinder teuer kaufen oder kompliziert leihen. Kann künstliche Intelligenz nicht Instrumente vorschlagen und zuschicken? Miller hat einen Sohn, er ist 13 und spielt Posaune. Vielleicht will sie bald ein Start-up gründen, das Frauen entlastet. "Wenn man jetzt die Chancen künstlicher Intelligenz nutzt, kann sich endlich etwas tun."

© SZ vom 17.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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