Verdächtiger im Fall Lübcke:Spur in den Schützenverein

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Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wurde auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen. (Foto: Swen Pförtner/dpa)
  • Der vielfach vorbestrafte Rechtsextremist Stephan E. gilt als Hauptverdächtiger im Fall des getöteten Kasseler CDU-Politikers Walter Lübcke.
  • Bis zuletzt hatte er offenbar eine Funktion in einem örtlichen Schützenverein inne.
  • Der Vereinsvorsitzende betont, E. habe keinen Zugang zu Schusswaffen gehabt.

Von Lena Kampf, Florian Flade und Ronen Steinke, Berlin

Der Hauptverdächtige im Fall des getöteten Kasseler CDU-Politikers Walter Lübcke hat offenbar bis zuletzt eine Funktion in einem örtlichen Schützenverein innegehabt. Der vielfach vorbestrafte Rechtsextremist Stephan E. wird auf der Webseite dieses Vereins als "Referent" für das Bogenschießen bezeichnet. Der Vorsitzende des Vereins in einer hessischen Kleinstadt nahe Kassel (Motto: "Wir treffen immer ins Schwarze!"), Reiner Weidemann, betonte im Gespräch mit SZ, NDR und WDR am Montagabend allerdings, der Tatverdächtige Stephan E. habe keinen Zugang zu Schusswaffen gehabt. Er habe lediglich mit Sportbögen geschossen. Weidemann betonte auch, dass nichts entwendet worden sei, das habe man überprüft. Auch habe er Stephan E. nie im Umgang mit Schusswaffen beobachtet. Die nötigen Schlüssel zu den Waffenschränken hätten nur vier Personen gehabt, sagte der Vorsitzende, Stephan E. sei nicht unter ihnen gewesen. Allerdings: Die Polizei habe den Schützenverein bislang auch nicht durchsucht.

Schon seit Jahren gibt es in Deutschland eine politische Diskussion darüber, ob die Besitzer von legalen Schusswaffen, also zum Beispiel Sportschützen und Jäger, stärker vom Verfassungsschutz überprüft werden sollten. Zuletzt haben vor allem SPD-Innenpolitiker darauf gedrungen, dass Sportschützen routinemäßig daraufhin überprüft werden sollten, ob sie in extremistischen Zusammenhängen auffällig geworden sind. Schützenverbände und Unionsinnenminister stellten sich dem jedoch entgegen.

E. - ein "netter, unauffälliger, hilfsbereiter Mann"

Stephan E. ist vielfach für Gewaltdelikte vorbestraft, im Jahr 1995 war er rechtskräftig wegen eines versuchten Bombenattentats auf eine Flüchtlingsunterkunft zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Auch in den darauf folgenden Jahren war er vielfach wegen rassistisch motivierter Gewaltdelikte vor Gericht gekommen. In seinem Schützenverein wusste man von diesen Vorfällen offenbar nichts. Der Referent für Bogensport sei ein "netter, unauffälliger, hilfsbereiter Mann", betonte der Schützenvereinsvorsitzende Weidemann auf Anfrage. Stephan E. habe sich politisch nie geäußert. Er sei nie als rechtsradikal ausgefallen, und solche Mitglieder wolle man da auch nicht haben - da achte man drauf.

Bei der Durchsuchung der Wohnung des Tatverdächtigen in der Nacht zum Samstag sind nach Angaben aus Sicherheitskreisen zwar Waffen entdeckt worden, allerdings keine scharfen Waffen, sondern lediglich eine Schreckschusspistole. Daneben fanden die Beamten Unterlagen, die darauf hindeuten sollen, dass sich Stephan E. dafür interessierte, eine Erlaubnis zum legalen Waffenbesitz zu erwerben.

© SZ vom 18.06.2019 / lenk, fla, rst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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