Hunger, Klimaschutz, Gleichberechtigung:Welt droht UN-Nachhaltigkeitsziele zu verfehlen

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde

Auch Deutschland hängt bei vielen Zielen hinterher, beim Klimaschutz tritt das Land auf der Stelle.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Vor vier Jahren legten die Vereinten Nationen 17 Ziele fest, die die Welt zu einem besseren Ort machen sollten.
  • Doch ein Bericht der Bertelsmann-Stiftung zeigt nun, dass derzeit kein Land auf dem Weg ist, diese Ziele alle zu erfüllen.
  • In Deutschland läuft es bei der Gleichberechtigung, der Armutsrate von Senioren, der Zufriedenheit mit öffentlichem Nahverkehr und dem Sicherheitsempfinden schlecht. Beim Klimaschutz tritt Deutschland auf der Stelle.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die erste große Bilanz steht Ende September in New York an. Dann kommen die Staats- und Regierungschefs zum UN-Nachhaltigkeitsgipfel zusammen - zum ersten Mal, seit sich die Staatengemeinschaft 2015 globale Nachhaltigkeitsziele gesetzt hat. Bis 2030 sollen die Ziele - englische Abkürzung: SDG - erreicht sein, mehr als ein Viertel der Zeit ist also im September schon rum. Ein besonders fröhliches Treffen dürfte es nicht werden.

Das zumindest legt der neue SDG-Report nahe, den die Bertelsmann-Stiftung an diesem Mittwoch vorstellen will. Demnach ist derzeit kein Land auf dem Weg, alle Ziele zu erfüllen. Vier Jahre nach Verabschiedung der sustainable development goals sehen sich die Staaten den Mühen der Ebene gegenüber. "Rhetorisch ist viel passiert", sagt Christian Kroll, einer der Autoren der Studie. "Vieles ist in Reden eingeflossen, aber zu wenig in Handeln."

Die insgesamt 17 Ziele sollen helfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sie reichen vom Kampf gegen Hunger und für Gleichberechtigung über Klimaschutz und die Versorgung mit sauberem Wasser bis zur Bekämpfung der Ungleichheit und einem nachhaltigeren Konsum. Anders als die Millennium-Ziele, mit denen die Vereinten Nationen zu Beginn des Jahrtausends die Lage in Entwicklungsländern verbessern wollten, richten sich die SDGs an alle Staaten. Also auch an Industrieländer wie Deutschland.

Die Bundesrepublik rangiert auf Platz 6 des Bertelsmann-Index, allerdings mit einigen Baustellen. Bei den Indikatoren für Gleichberechtigung geht es teils bergab, ebenso bei der Armutsrate von Senioren oder bei der Zufriedenheit mit öffentlichem Nahverkehr und dem Sicherheitsempfinden. Beim Klimaschutz tritt Deutschland auf der Stelle. "Wir werden die Nachhaltigkeitsziele verfehlen, wenn wir politisch in zentralen Bereichen nicht umsteuern", sagt Kroll. Zu den Problemen zählten neben dem Artenschutz auch die Nitratbelastung des Grundwassers, die großen Mengen an Müll und Elektroschrott oder aber der Umstand, dass der Bund das Ziel verfehlt, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungshilfe zu stecken. Die skandinavischen Länder Schweden, Dänemark und Finnland schneiden besser ab, auch Frankreich und Österreich.

Den schlimmsten Rückschritt gibt es beim Hunger

Allerdings machen auch sie anderen das Leben schwer. Denn der Konsum in den Industriestaaten wirkt oft am anderen Ende der Welt - sei es durch ihren Konsum, der andernorts Regenwälder vernichtet, oder durch ihren Beitrag zum Klimawandel. "Die Trends bei den Treibhausgasemissionen und, mehr noch, bei der Artenvielfalt, gehen in die falsche Richtung", heißt es in dem fast 500-seitigen Bericht. Durch den Import von Gütern und Dienstleistungen aus Ländern mit schlechten Arbeitsstandards trügen reiche Länder zudem zu schweren Arbeitsunfällen bei - indirekt.

Einen der schlimmsten Rückschritte hatten die Vereinten Nationen jüngst selber eingeräumt, bei Ziel Nummer 2, dem Ende des Hungers. Nach einer langen Phase der Rückgänge "scheint der Welthunger wieder zu wachsen", heißt es im aktuellen UN-Nachhaltigkeitsbericht. Für 2015 gingen die Vereinten Nationen noch von 777 Millionen unterernährten Menschen aus, ein Jahr später von 815 Millionen. Zu den Ursachen zählten neben Konflikten auch Folgen des Klimawandels, warnt der UN-Report. Die Staats- und Regierungschefs halten auch dazu im September einen Gipfel in New York ab - genau einen Tag, ehe sie sich der Nachhaltigkeit zuwenden.

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