Grundsicherung:Altersarmut ist besonders in München ein Problem

Altersarmut, 2015

Viele Münchner Senioren müssen am Monatsende ihr letztes Kleingeld zusammenkratzen. Die Grundrente hilft den meisten kaum.

(Foto: Catherina Hess)
  • Immer mehr Münchner sind von Altersarmut bedroht. Bis 2035 könnte es knapp 26 000 Betroffene geben.
  • Die Grundrente soll das Geld im Alter sichern. Doch für das Leben in einer teuren Stadt wie München seien die Beträge zu niedrig, sagt die hiesige Sozialreferentin.
  • Kritiker bemängeln zudem, die Hürden, die staatliche Leistung zu beantragen, seien zu hoch.

Von Sven Loerzer

Mehr als 15 000 Menschen in München verfügen nicht über genügend Rente und Vermögen, um davon ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Zahl der Senioren, die deswegen Grundsicherung im Alter beziehen, steigt derzeit jährlich um fünf Prozent an. Die Altersarmut wird weiter zunehmen: Bis zum Jahr 2035 könnten nach Berechnungen des Münchner Sozialreferats bis zu 26 000 Menschen auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein.

Nicht mit eingerechnet ist die Dunkelziffer derer, die trotz ihrer schwierigen finanziellen Lage bislang keine Grundsicherung beantragen. Sozialreferentin Dorothee Schiwy geht davon aus, dass deren Zahl bei mindestens 10 000 liegt. Ausgehend vom Mikrozensus 2015, wonach 22 Prozent der älteren Münchner unter der Armutsschwelle leben, wären rund 58 000 Menschen von Altersarmut betroffen. Aber nur gut ein Viertel von ihnen bezieht Grundsicherung im Alter. "Wir vermuten, dass die Hemmschwelle, auf das Amt zuzugehen, sehr groß ist." Oft spiele wohl auch die Angst davor eine Rolle, dass die Kinder von der misslichen Lage erfahren und für den Unterhalt herangezogen werden könnten. Schiwy appelliert deshalb an Betroffene, "wenn das Geld knapp geworden ist", im Sozialbürgerhaus Unterstützungsmöglichkeiten prüfen zu lassen.

Gerade in München seien die Lebenshaltungskosten wahnsinnig hoch, betonte Schiwy am Dienstag, "die hohen Mieten schlagen sich auch auf Konsumgüter nieder". Sich etwas gönnen zu können, mal rauszugehen und einen Kaffee zu trinken, sei aber gerade im Alter besonders wichtig. Wenn das aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich sei, führe es schnell zu Vereinsamung. Die Stadt habe den bundesweit festgelegten Regelsatz um 21 Euro auf 445 Euro monatlich für Alleinstehende erhöht. Wegen der gesetzlichen Hürden sei eine Erhöhung aber schwierig. Außerdem werden die Mietkosten bis zu einer angemessenen Höhe und Wohnungsgröße übernommen.

Betrag für Alleinstehende soll unterhalb der Armutsgrenze liegen

Für Alleinstehende liegt die Obergrenze bei 660 Euro Bruttokaltmiete und 50 Quadratmeter. Wer keinerlei Rente oder andere Einkünfte bezieht und über kein Vermögen verfügt, würde, wenn seine Miete der maximal übernommenen Miete von 660 Euro entspricht, also monatlich insgesamt 1105 Euro Grundsicherung erhalten. Das ist erheblich weniger, als die für München vom Sozialreferat im letzten Armutsbericht ausgewiesene Armutsgrenze in Höhe von 1350 Euro für Alleinstehende. Für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen liegt die Armutsgrenze bei 2025 Euro.

Die ohnehin knapp bemessenen Regelsätze müssten den tatsächlichen Lebensbedingungen in den einzelnen Regionen der Bundesrepublik angepasst werden, fordert die Münchner Sozialreferentin. Die im früheren Sozialhilferecht verankerten einmaligen Leistungen für bestimmte Bedarfe, wie etwa Haushaltsgeräte, müssten zudem dringend wieder eingeführt werden. Das Sozialreferat hilft den Menschen einstweilen über Stiftungs- und Spendenmittel, etwa vom "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung".

Auch im Hinblick auf die Grundrente regte Schiwy an, über die konkrete Ausgestaltung nachzudenken. "Die Lebensräume in der Bundesrepublik sind sehr verschieden." Eine pauschalierte Leistung, die darüber hinweggehe, könnte den tatsächlichen Bedarf nicht befriedigen.

Viele schämen sich, die Grundrente zu beantragen

Gerade bei alten Leuten sind die Hemmungen ziemlich groß, sich Hilfe im Sozialbürgerhaus zu holen. "Viele Betroffene sind wahnsinnig einsam und haben Schwierigkeiten sich zu öffnen", hat Antonia Eicher, Grundsicherungs-Sachbearbeiterin im Sozialbürgerhaus Pasing, festgestellt. "Oft besteht große Angst, dass die Behörde über einen bestimmt oder man einen Betreuer aufgedrückt bekommt." Solche Vorbehalte versucht Antonia Eicher im Telefongespräch und im persönlichen Kontakt mit Betroffenen abzubauen. Um möglichst schnell klären zu können, ob und wie viel Grundsicherung jemandem zusteht, ist es wichtig, alle Unterlagen mitzubringen, die den Bedarf nachweisen, wie etwa Mietvertrag mit aktueller Miete.

Ebenso wichtig sind die Einkommensnachweise, wie etwa Rentenbescheid, Lohnzettel, Unterhaltszahlungen und alle Nachweise zu vorhandenem Vermögen. Auch die Kontoauszüge der vergangenen drei Monate sind vorzulegen. Im jeweiligen Sozialbürgerhaus lässt sich über die Infothek telefonisch klären, wer zuständig für die Antragsbearbeitung ist und ein Termin vereinbaren.

Vor dem Gang zu einem der zwölf Münchner Sozialbürgerhäuser schrecken aber alte Leute auch deshalb zurück, weil sie befürchten, dass das Amt die Kinder zu Zahlungen heranzieht. Bis zu einem Brutto-Jahresverdienst in Höhe von 100 000 Euro ist die Sorge aber unbegründet. Auch diese Grenze sollte der Gesetzgeber regional staffeln, forderte Schiwy.

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