Schadensbekämpfung nach dem Pfingstunwetter:Das Hämmern nach dem Hagel

Hagelschäden in Inning

Die nächsten drei Wochen ist Schreinermeister Michael Keppeler in Inning ausgebucht.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Allianz schätzt die Schäden auf 190 Millionen Euro, Inning hat es am schlimmsten im Landkreis getroffen. Die Reparaturen an Dächern, Fotovoltaikanlagen und Rollläden dürften sich in der Gemeinde hinziehen. Denn Handwerker sind ausgebucht.

Von Manuela Warkocz, Inning

Hebebühnen, Kräne, Abdeckplanen, eilige Handwerker - eine Woche nach dem verheerenden Unwetter vom Pfingstmontag sind viele betroffene Inninger noch mittendrin, die Schäden zu beseitigen. Den 4500-Einwohner-Ort am Ammersee hatte es mit Orkanböen und Hagel in Tennisball-Größe am schlimmsten im Landkreis getroffen. Bürgermeister Walter Bleimaier geht davon aus, dass die Instandsetzung an den 17 Inninger Gemeindegebäuden, die alle in Mitleidenschaft gezogen sind, ein Jahr dauern wird.

Staat streicht Soforthilfen

Bedrohliche Naturereignisse wie das Hagel-Unwetter an Pfingsten und Überschwemmungen nehmen zu. Schäden an Immobilien sind für die Besitzer oft existenzbedrohend. Die bayerischen Verbraucherverbände raten dringend zur Eigenvorsorge. Aktuell ist dies umso wichtiger, da der Freistaat Bayern zum 1. Juli 2019 alle Soforthilfen für sogenannte Elementarschäden streicht. Das bedeutet, dass es nach Naturkatastrophen keinen Anspruch mehr auf finanzielle Hilfe vom Staat gibt. Aktuell haben nur 32 Prozent der Immobilienbesitzer in Bayern eine Elementarschadenversicherung. Hauseigentümer sollten sich daher um den passenden Versicherungsschutz kümmern. Unter 0800/2220099 informieren der Verbraucherservice Bayern und die Verbraucherzentrale Bayern kostenfrei am eigens eingerichteten Info-Telefon. Alle Infos zur Kampagne gibt es auf www.elementarschaden.bayern. manu

Im westlichen Landkreis gilt das Unwetter als das gewaltigste seit Jahrzehnten. Allein die Allianz-Versicherung kalkuliert für Schäden in der ganzen Unwetter-Region 190 Millionen Euro ein, darunter Entschädigungen für etwa 20 000 verbeulte Fahrzeuge. Versicherer rechnen aber noch mit weiteren Schadensmeldungen, sobald Betroffene Ende dieser Woche aus den Pfingstferien zurückkehren.

Allein in Inning sind die Schäden immens: Kaputte Dächer, geborstene Scheiben und Fotovoltaikanlagen, zerfetzte Rollläden und Abdeckungen, ganz zu schweigen von unzähligen zerbeulten Autos und zerstörten Gärten. An den kommunalen Gebäuden haben sich Lichtkuppeln als Schwachstellen erwiesen. "Da ist keine ganz geblieben", klagt Bürgermeister Bleimaier. Und setzt Maßstäbe für die Zukunft. "Von denen brauch' ich keine mehr."

Hagelschäden in Inning

Auch das bekannteste Inninger Haus - das Kaiserhaus in der Hauptstraße, das Bezug nimmt auf Heinrich II. - hat es erwischt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Lichtkuppeln sind sowohl bei der Turnhalle als auch im Gemeindekindergarten und bei der Feuerwehr Buch hin. In die Turnhalle ist Wasser eingedrungen. Noch ist ungewiss, ob der Betrieb in der Turnhalle nach den Ferien wieder laufen kann. Beim alten Sportlerheim ist das Dach total hinüber. Der Aufenthaltsraum ist gesperrt, die Umkleiden für Fußballer aber nutzbar. An der Schule hat der Hagel ganze Stücke aus dem Putz herausgeschlagen. Das Rathausdach hat jede Menge Löcher, aber immerhin regnet es nicht rein. Als "sehr kooperativ, aber völlig überlastet", bezeichnet der Rathauschef die Bayerische Versicherungskammer, der Kommunen ihre Schäden melden.

Mehr Entgegenkommen wünscht sich Innings Gemeindechef aber in dieser Ausnahmesituation vom Awista, dem Abfallzweckverband, der den Wertstoffhof betreibt. Im Rathaus hätten sich "jede Menge Bürger" beschwert, weil sie am Samstag schon kurz nach 11 Uhr zum Beispiel keine kaputten Dachplatten mehr abladen durften und um 11.30 Uhr die Annahme von Grüngut verweigert wurde. Mehr Container und eventuell ausgedehntere Öffnungszeiten könnten helfen. Bleimaier hat selbst 200 kaputte Dachplatten, Scheiben, Solarkollektoren und ein zerdelltes Auto zu beklagen. Er trotzt den Unbilden mit gewohnter Gelassenheit. Allein was er bei der Gärtnerei Hübsch gesehen hat, bewegt ihn: "Das ist existenzbedrohend. Dort schaut es aus wie nach einem Bombenangriff."

Auf Facebook postet die Gärtnerei launig: "Ja, wir haben 'nen Dachschaden - und trotzdem geht's weiter." Bianca Stroebel, die den Betrieb mit ihrem Lebensgefährten Hans-Peter Hübsch führt, versprüht auch auf Nachfrage Optimismus: "Wir haben ganz neue Ware, Sommerblumen, Gemüsepflanzen, Kräuter. Im Freiland läuft's normal." Die Gewächshäuser seien jedoch zu hundert Prozent zerstört. "Elementar entscheidend" sei jetzt, dass sie vom Landratsamt rasch die Baugenehmigung für neue Gewächshäuser bekämen. Die müssten vor dem Winter stehen, um weiterzumachen.

Hagelschäden in Inning

Eine zerstörte Solaranlage auf einem Hausdach an der Herrschinger Straße in Inning.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Handwerker für den Wiederaufbau zu bekommen, dürfte in nächster Zeit das Hauptproblem sein. Bei der Dachdeckerei und Spenglerei von Florian Bernlochner im Weßlinger Ortsteil Hochstadt erfährt der Anrufer vom Band: "Aufgrund der immensen Hagelschäden können wir derzeit keine weiteren Aufträge entgegennehmen." In Herrsching hat Allianz-Generalvertreter Robert Brack viel zu tun. Privatleute und Firmen haben etwa 50 Gebäudeschäden gemeldet, dazu 100 ramponierte Autos. In Inning hat der Versicherer die MBS-Halle angemietet. Gutachter registrierten dort am Montag in einem Massenverfahren 80 Autos von Geschädigten aus dem nordwestlichen Landkreis Starnberg und Fürstenfeldbruck.

Auch die Gemeinde Wörthsee lag in der Unwetter-Schneise. "Aber wir hatten noch Glück im Unglück", sagt Rathaus-Geschäftsleiterin Christa Heintel. Kaputte Dachziegel am Rathaus seien ausgetauscht, alle weiteren Schäden an Gebäuden der Gemeinde, etwa die beschädigte Brauchwasseranlage an der Schule, aufgenommen worden. Heintel ist auch privat betroffen: Am Haus in Germering hängt die Eternit-Fassade in Fetzen herunter. "Jedes Auto, das draußen stand, hat Beulen, eine kaputte Heck- oder Windschutzscheibe", beschreibt sie die gravierenden Auswirkungen in ihrer Heimatgemeinde.

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