Fifa:Geldflüsse über die Jungferninseln

Under-20 World Cup Final - Ukraine v Korea Republic

Arbeitet daran, die eigenen Position zu stärken: Fifa-Boss Gianni Infantino.

(Foto: KACPER PEMPEL/REUTERS)
  • Es treten neue heikle Themen zutage, die Fifa-Chef Gianni Infantino direkt betreffen.
  • Der Fifa-Chef möchte Generalsekretärin Fatma Samoura auch als Chefin von Afrikas Fußball-Verband einsetzen, um seine Position zu stärken.
  • Es holen ihn zudem merkwürdige Geldflüsse ein, aus seiner Zeit als Generalsekretär der Uefa.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Vor gut zwei Wochen feierte sich Gianni Infantino bei seiner Wiederwahl an die Spitze des Fußball-Weltverbandes als Saubermann. Keiner rede im Kontext mit der Fifa mehr von Skandalen, erzählte er; alles laufe transparent und gemäß den Reformen. Das wirkte schon damals kabarettreif angesichts vieler anrüchiger Vorgänge rund um den Weltverband. Und nun treten neue heikle Themen zutage, die Infantino direkt betreffen.

Zum einen werden jene Mittel ruchbar, mit denen er seinen offenkundigen Willen zur Alleinherrschaft in der Fifa vorantreiben will - inklusive statuarisch fragwürdiger Manöver, die zu einem neuen, gewaltigen Konflikt mit Europas Fußball-Union führen. Zum anderen holen ihn merkwürdige Geldflüsse ein, aus seiner Zeit als Generalsekretär der Uefa.

Bei der Machtfrage spielt Fatma Samoura eine Schlüsselrolle. Die frühere senegalesische UN-Mitarbeiterin ist seit 2016 Fifa-Generalsekretärin und gemäß der seitdem geltenden Statuten die operativ oberste Verantwortliche (und nicht Präsident Infantino - wenngleich es nie den Anschein hatte, dass dieser Reformbeschluss auch so gelebt wird). Nun soll sie ab August für mindestens sechs Monate als Generaldelegierte für den Afrika-Verband (Caf) wirken, wie die Fifa am Donnerstag erklärte.

Das zeigt, dass die Fifa und Infantino die Anschuldigungen gegen den Caf-Präsidenten, Fifa-Vize und Infantino-Vertrauten Ahmad Ahmad nicht länger ignorieren können. In einem 350 Seiten starken Dossier hatte der vormalige Caf-Generalsekretär zahlreiche Vorwürfe gegen den Madagassen dokumentiert. Darunter ist sogar ein Fall, dem die französischen Behörden nachgehen: ein seltsamer Ausrüster-Deal, der dem Caf einen Schaden von 800 000 Dollar gebracht haben soll.

Noch nie in der Verbandsgeschichte gab es eine solche Konstellation

Aber ist das einfach so möglich, dass eine Fifa-Generalsekretärin de facto als Chefin über einen Erdteil-Verband fungiert? Noch nie in der Verbandsgeschichte gab es eine solche Konstellation. Uefa-Präsident Aleksander Ceferin reagierte auf den Schritt mit einem geharnischten Brief. Er rügte scharf die kurze Frist, binnen derer die Kontinentalchefs reagieren konnten (Information um 1.50 Uhr am Donnerstagmorgen, Deadline für die Antwort bis 10.30 Uhr) - für einen Sachverhalt, der erst Anfang August in Kraft tritt. Und er moniert, dass es begründete Zweifel an der Vereinbarkeit dieses Manövers mit den Fifa-Statuten gebe sowie einen möglichen Interessenskonflikt. In der Tat stützen viele Argumente diese Sichtweise. Samoura ist als Fifa-Generalsekretärin unter anderem für die Geldflüsse in alle Welt zuständig, auch nach Afrika. Bei der geplanten Konstellation geriete sie in eine absurde Doppelrolle: als Verteilerin und Empfängerin riesiger Geldtransfers. Die Fifa hingegen teilte auf Anfrage mit, es gebe nichts Illegales an der Prozedur, keinen Interessenskonflikt.

Offenkundig geht es Infantino darum, den Einfluss zu festigen, den sein schwer angeknockter Vertrauter Ahmad gerade verspielt hat. Außerdem hält sich schon lange der Verdacht, dass Infantino seine Generalsekretärin wieder loswerden will. Eine Vielzahl an hochrangigen Hauptamtlichen verließ zuletzt die Fifa, vom Vize-Generalsekretär Zvonimir Boban bis zu Büro-Chef Kjetil Siem. Nun könnte sich die Chance bieten, auch Samoura elegant abzuschieben - und über sie zugleich Afrikas Stimmvolk dauerhaft an sich zu binden. Dazu passen Pläne, die nach SZ-Informationen in der Fifa-Zentrale kursieren: dass das Präsidentenamt schon nächstes Jahr wieder in ein operatives Amt umgewandelt werden soll - und damit ein zentraler Reformpunkt rückgängig gemacht würde.

Gianni allmächtig? Die Fifa schließt die Umwandlung des Jobs auf konkrete Anfrage nicht aus, sondern sagt nur, sie kommentiere keine Spekulationen.

Nicht nur die machtpolitischen Vorgänge werfen Fragen auf

Aber nicht nur die machtpolitischen Vorgänge werfen Fragen auf, sondern einmal mehr auch ein Vorgang aus Infantinos Uefa-Zeit. Der Schweizer war seit 2004 der Direktor für Rechtsfragen; unter dem in den Fokus diverser Staatsanwaltschaften geratenen Ex-Präsidenten Michel Platini stieg er erst zum stellvertretenden Generalsekretär, 2009 dann zum Generalsekretär auf. Nach SZ-Informationen überwies die Uefa in dieser Zeit sämtliche Gelder, die für den ukrainischen Fußballverband (FFU) bestimmt waren, nicht etwa auf ein Konto dieses Verbandes im Heimatland, wie das bei anderen Verbänden üblich ist. Im Fall der Ukraine floss das Geld an eine Firma namens "Newport Management Ltd", die auf den Britischen Jungferninseln verortet wird. Die Uefa bestätigt das auf Anfrage. Von 1999 bis 2016 seien die für die FFU und ihre angegliederten Klubs bestimmten Gelder auf ein Newport-Konto geflossen. Nach SZ-Informationen soll es sich insgesamt um einen mittleren dreistelligen Millionen-Betrag gehandelt haben.

Es war eine kuriose Konstellation, die da in Europas Fußball unter Infantinos Ägide existierte. Erst als die Uefa Ende 2016 eine Prüfung durchführte - Infantino war mittlerweile Fifa-Boss und Aleksander Ceferin soeben neuer Uefa-Präsident geworden - fand sie nach eigenen Angaben heraus, dass das Konto zugleich von der FFU und vom ukrainischen Spitzenklub Dinamo Kiew genutzt worden sei. Ein pikanter Vorgang, denn über all die Jahre wurden Verband und Klub von den selben affärenumwitterten Personen dominiert: den Brüdern Grigorij und Igor Surkis. Wie wurde da in der Verwendung auseinandergehalten, für wen oder was das Geld bestimmt war? Die Uefa-Ethiker kamen zwar zum Schluss, dass es keinen Verstoß gegen die Richtlinien gab - gestoppt wurde der seltsame Geldfluss gleichwohl, weil ihn die neue Führung "unangemessen" fand.

FILE PHOTO: FIFA President Gianni Infantino and FIFA Secretary General Fatma Samba Diouf Samoura arrive for a meeting at the Elysee Palace in Paris

Haben was zu verbergen: Gianni Infantino und Fatma Samoura.

(Foto: Philippe Wojazer/Reuters)

Das Verhältnis zwischen Infantino und der BA irritiert längst

Die FFU reagiert auf eine Anfrage nicht. Bleibt die Kernfrage, wieso die Uefa diesen seltsamen Geldfluss über ein offenkundiges Offshore-Konto jahrelang mitmachte - zumal der ukrainische Fußball, Dinamo sowie Spitzenmann Surkis schon länger im Zwielicht standen. Davon zeugen eine Schiedsrichterbestechung bei Dinamo in den Neunzigerjahren und Vorwürfe eines zypriotischen Funktionärs rund um die Vergabe der EM 2012 nach Polen/Ukraine, denen die Uefa unter Platini und Infantino nie ernsthaft nachging.

Auf Anfrage, warum Infantino die Geldflüsse so in Ordnung fand, teilt die Fifa mit, dass die Uefa eine Untersuchung durchgeführt habe und es keine Beweise für Fehlverhalten gebe. Die Uefa bestätigt zwar die Untersuchung, sagt aber, sie habe die Rolle der damaligen Verbandsführung nicht geprüft. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Infantinos Tätigkeiten in seiner Uefa-Zeit irritieren. Im April 2016 enthüllte die SZ, dass er 2006/7 umstrittene Rechteverträge signiert hatte, die der vom FBI gejagten Rechtehändler-Familie Jinkis einen Reibach von etwa 300 000 Dollar ermöglichten. Danach eröffnete die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung - aber nicht gegen Infantino direkt, der immerhin Unterzeichner war, sondern gegen Unbekannt. Im November 2017 stellte sie das Verfahren ein.

Nur irritiert das Verhältnis zwischen Infantino und der BA mit Behördenleiter Michael Lauber längst - weil es kurz nach Infantinos Wahl an die Fifa-Spitze im Februar 2016, aber auch parallel zu den Ermittlungen um den von Infantino unterzeichneten TV-Vertrag drei diskrete, nicht protokollierte Treffen gab. Diese Woche setzte es einen weiteren Wirkungstreffer: Das zuständige Strafgericht befand wegen dieser Treffen, dass Lauber im Fifa-Komplex befangen sei und die Ermittlungen nicht weiterführen kann. Auch vor diesem Hintergrund bleibt die Frage, wie die Strafbehörden auf den seltsamen Fluss der ukrainischen Uefa-Gelder reagieren.

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