SPD auf Führungssuche:Doppelt hält nicht besser

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Vom Trio zum Duo? Thorsten Schäfer-Gümbel (von links), Malu Dreyer und Manuela Schwesig wollen die Partei nicht dauerhaft führen. (Foto: dpa)

Die Sozialdemokraten sehnen sich nach einem Erlöser, am besten gleich mehreren. Doch ein Duo an der Spitze könnte alles noch viel komplizierter machen.

Kommentar von Mike Szymanski

Die SPD ist auf der Suche nach einer Parteispitze, die es nicht gibt: Sie soll nach den Wahldebakeln und dem Führungsstreit Seelentröster sein. Sie soll unverbraucht daherkommen. Sie soll aber auch die Härte, Stärke und Erfahrung mitbringen, eine Partei am Abgrund aufzurichten und ihr Orientierung zu geben. Sie soll radikal verändern, aber nicht verschrecken. Das sind hohe Anforderungen an eine einzelne Person. Daher ist es kein Wunder, dass die SPD über eine Doppelspitze diskutiert. An der Basis wollen viele jetzt ein Team.

Im Bestreben, alles anders und besser zu machen, läuft die SPD aber Gefahr, nur alles noch komplizierter zu machen. Klar, wer blickt gerade nicht voller Neid auf die Grünen mit ihrem populären Doppel an der Spitze. Nur: Sie zu kopieren, das funktioniert nicht. Das harmonische Spitzenteam aus Annalena Baerbock und Robert Habeck ist ein Glücksfall für die Grünen, aber nicht die Regel bei Doppelspitzen. Und personell könnte die SPD schon glücklich sein, wenn sie nur eine Person von beiden in ihren Reihen hätte.

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Die Partei befindet sich nicht in der Lage für Experimente. Eine Doppelspitze - sollte sie tatsächlich kommen - birgt für die SPD eher neue Risiken. In Umfragen nähert sie sich der Zehn-Prozent-Marke. Sie sucht in Wahrheit nicht neue Chefs. Sie sucht Erlöser - am besten gleich mehrere. Aber wer ihren Erwartungen nicht gerecht wird, und das kann schnell gehen, bekommt die volle Härte zu spüren. Der Umgang mit Andrea Nahles hat gerade wieder gezeigt, zu welcher Brutalität diese Partei in der Lage ist.

Sicher, mag mancher denken, dann ist es doch besser, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Aber: Zu groß ist die Gefahr, dass der Druck, der auf der Spitze lastet, ein Doppel zerreißen würde. Die Partei hat keine Übung darin, die verschiedenen Strömungen - etwa Parteilinke und konservative Seeheimer - in einer Doppelspitze abzubilden. Eine Partei im Aufwind kann sich das leisten, eine Partei im Abwärtssog eher nicht. Die SPD braucht an der Spitze Integration, nicht die Festschreibung des Richtungsstreits.

Auch Kevin Kühnert geistert durch die Nachfolgedebatte

Die SPD hat derzeit auch kaum das Personal für eine Doppelspitze. Viele Minister und Ministerpräsidentinnen haben schon abgewinkt. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil zaudert. Familienministerin Franziska Giffey würde vielleicht wollen, steht aber wegen Plagiatsvorwürfen unter Druck. Juso-Chef Kevin Kühnert geistert als Schreckgespenst durch die Nachfolgedebatte.

Die kommissarische Parteispitze täte gut daran, die Diskussion jetzt in die richtige Bahn zu lenken: Die SPD sollte für die Zukunft in der Satzung die Doppelspitze ermöglichen. Für den Augenblick sollte sie aber davon Abstand nehmen, sie umzusetzen.

Im Moment ist es wichtiger, bei der anstehenden Personalentscheidung die Mitglieder zu beteiligen. Eine Mitgliederbefragung ist der richtige Weg. Im besten Fall belebt ein solches Verfahren die gesamte Partei - und zwingt sie am Ende auch dazu, die Neue oder den Neuen an der Spitze zu unterstützen. Notwendig wäre das. Die SPD steuert unter neuer Führung auf eine Zeit jenseits der großen Koalition zu. Was sie dort erwartet, kann niemand sagen. Nur, eine rasche Erholung wird es nicht geben. Wenn die SPD sich noch einmal zurückkämpfen sollte, geht das nur, wenn sie zusammenhält.

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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