Gastkommentar:Das Geschäft der Zukunft

Angesichts des Klimawandels ist eine neue Askese nötig. Dazu kann ausgerechnet die Markenkultur ihren Fans verhelfen.

Von Wolfgang Ullrich

Viele "Fridays for Future"-Aktivisten machen gerade Abitur. Und debattieren, ob sie auf ihre Abireisen verzichten sollten. Lieber im Umland zelten als um die Welt jetten? Generell stellt sich die Frage, ob die dringlichen Forderungen der Klimaschützer am Ende nicht nur mit Verzicht zu erfüllen sind. Solange das freiwillig bleibe, werde es aber nie klappen, sagen die Skeptiker. Andere finden, dass es heute intelligentere Formen gibt: Klar könne man fliegen - mit Kompensationszahlungen für die CO₂-Belastung. Viele geben lieber zweimal Geld aus als gar nicht, zumal sich die Zusatzzahlung besser als Bekenntnis zum Klimaschutz darstellen lässt als der Verzicht, der auch Bequemlichkeit oder Armut geschuldet sein könnte.

Moral ist dann jedoch eine Sache des Geldbeutels - abgesehen davon, dass sich ökologische Probleme nicht pauschal kompensieren lassen. Also muss man doch ernsthaft über Verzicht nachdenken. Unter welchen Umständen kann er gelingen? Die Religionen haben es einst vorgemacht: Sie muteten Gläubigen oft Entbehrungen zu und lockten im Gegenzug mit Heilsversprechen. Heute fehlt ihnen dazu die Autorität. Die aber könnten starke Marken haben, vom Fußballverein bis zum Luxuslabel. Fans tun oft viel, um ein Produkt zu bekommen oder ihren Idolen nahe zu sein. Würden sie deshalb also nicht auch auf viel verzichten? Am Horizont sieht man bereits utopische Geschäftsmodelle. Große Nachfrage wird vielleicht einmal nicht nur über (höhere) Preise reguliert, sondern den Zuschlag mag erhalten, wer sich aus ökologischen Gründen beschränkt. Konsum würde zur Belohnung, die Marken gewönnen an Image. Und Statussymbole stünden nicht mehr im Verdacht, nur Ablasshandel zu sein.

Wolfgang Ullrich, 52, lebt als Kulturwissenschaftler in Leipzig.

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