Spurensuche:Auto-Suggestion

Spurensuche: Gregory Peck, Charles Coburn, and Ann Todd in The Paradine Case (1947).

Gregory Peck, Charles Coburn, and Ann Todd in The Paradine Case (1947).

(Foto: Fremantle Home Entertainment)

Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in Film, Literatur und Kunst nach wiederkehrenden Motiven. Der Spielfilm "Der Fall Paradin" zeigt, wie Selbstbetrug und Autosuggestion funktionieren.

Von Susan Vahabzadeh

Hinterher sind ja alle immer schlauer, aber es gibt durchaus Fälle, da war mancher es nachweislich auch schon vorher. Dass die sogenannte "Ausländer-Maut" gegen EU-Recht verstoßen würde, stand bereits in einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Verkehrsminister Andreas Scheuer fand das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die Maut in dieser Woche für unvereinbar mit europäischem Recht erklärte, trotzdem "überraschend". In einer Flut unterschiedlicher Meinungen und Auslegungen kann man leicht den Überblick verlieren, das ist menschlich; es ist aber auch vernünftig, sich nicht auf etwas festzulegen, was hoch umstritten ist. Klar hatte die CSU ihre Gründe, allen Unkenrufen zum Trotz sozusagen autosuggestiv an ihren Mautplänen festzuhalten. Wer dann aber am Ende überrascht ist, wenn es nicht funktioniert - der hat es irgendwie geschafft, den Elefanten mitten im Zimmer konsequent auszublenden.

Warum besteht jemand auf seiner eigenen Verblendung? Die Frage hat Alfred Hitchcock interessiert, als er 1947 "Der Fall Paradin" drehte. Gregory Peck spielt den Anwalt Anthony Keane. Er wird engagiert, um Maddalena Anna Paradin (Alida Valli) vor Gericht zu verteidigen. Der Film beginnt mit ihrer Verhaftung: Da kommt die Polizei in Maddalena Paradins elegante Londoner Villa, um die junge Frau im Wohnzimmer, unter dem Porträt ihres viel älteren verstorbenen Ehemanns zu verhaften. Hat sie ihn vergiftet?

Keane will unbedingt Maddalena Paradins Unschuld beweisen, er ist hingerissen von ihr. Keanes Frau (Ann Todd) hat das mitbekommen, aber sie ist da viel kalkulierter: Sie glaubt, dass Maddalena schuldig ist - es wäre ihr nur lieber, Anthony würde sie trotzdem freibekommen, den Fall gewinnen, um diese Frau aus dem Kopf zu bekommen. Keane versucht, die Schuld einem anderen in die Schuhe zu schieben, Maddalenas Diener Latour (Louis Jourdan). Da ist es dann eigentlich vorbei, denn Maddalena will das gar nicht, und sie sagt ihm das auch. Der Diener ist ihr Liebhaber. Einer von euch beiden, sagt Keane, muss es aber gewesen sein. Und obwohl nun klar ist, dass sie nicht unschuldig ist und seine Gefühle nicht im mindesten erwidert, steuert Keane weiter, unbeirrt, auf ein Ziel zu, das keines ist. Denn jetzt geht es um mehr: um Gesichtsverlust, um sein Ansehen als Anwalt. Wer gesteht sich schon gerne ein, dass er auf dem Holzweg war? Anthony Keane tut es vor Gericht. Eine großartige Szene.

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