Die Bundesregierung hat dem österreichischen Bundesland Tirol rechtswidriges Verhalten vorgeworfen, nachdem die Polizei dort am letzten Rückreisetag der bayerischen Pfingstferien neue Fahrverbote durch Ortschaften entlang der Inntal-Autobahn durchgesetzt hat. Aus dem Bundesverkehrsministerium hieß es am Sonntag, Tirol verstoße "gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs in der EU". Das europäische Recht verbiete solche "Beeinträchtigungen" deutscher Fahrzeuge in Österreich.
Auch der bayerische Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) bekräftigte, die Sperrungen seien europarechtswidrig. Zuvor hatte Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder bereits eine Klage gegen Tirol gefordert. "Berlin müsste tätig werden", verlangte nun auch Reichhart. Es werde allerdings zunächst auch Gespräche zwischen Bayern und Tirol geben. Vertreter Österreichs würden demnächst in München erwartet. "Eine gemeinsame Lösung wäre mir am liebsten", sagte Reichhart. Wie die aussehen kann, sei allerdings noch offen.
Sperrungen in Österreich:Aufstand im Transitland
Tirol wehrt sich mit drastischen Mitteln gegen den Durchgangsverkehr. Ministerpräsident Söder bezeichnet die Maßnahmen als diskriminierend und fordert, dass der Bund Klage einreicht.
Entlang der Inntal- und Brennerautobahn will das Land Tirol mit Sperrungen verhindern, dass Autofahrer zur Umgehung der Maut oder bei Stau auf Nebenstrecken ausweichen und durch die Dörfer fahren. Hunderte Autofahrer mussten umkehren. Nur Anwohner oder Touristen mit einem Ziel in der Umgebung durften passieren. Bis zum Ende der Urlaubszeit Mitte September soll das Fahrverbot an jedem Wochenende gelten. Trotz der Drohungen aus Deutschland hat der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter bereits eine Ausweitung der Fahrverbote auf die Bezirke Kufstein und Reutte angekündigt.
In Berlin hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) unterdessen mit den Folgen seiner rechtswidrigen Pkw-Maut zu kämpfen, die vergangene Woche nach einer Klage Österreichs vom Europäischen Gerichtshof gekippt wurde. Scheuer hatte die Verträge mit den bereits beauftragten Mautfirmen Kapsch TrafficCom und CTS Eventim kurz nach dem Urteilsspruch gekündigt. Die Unternehmen weisen jedoch auf Schutzklauseln in ihren Verträgen hin: Für ihren finanziellen Schaden könnte die Bundesregierung und damit die Steuerzahler haften müssen.
Die Grünen verlangen nun von Scheuer, bis spätestens Dienstag diese Verträge vorzulegen. Sollte der Minister "die Aufklärung weiter torpedieren und die Maut-Verträge dem Bundestag verweigern, schließen wir auch einen Untersuchungsausschuss nicht aus", sagt der haushaltspolitische Sprecher Sven-Christian Kindler. Er gehe davon aus, dass ein dreistelliger Millionenbetrag als Entschädigung drohe. Auch die FDP hatte bereits einen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht, sollte der Verkehrsausschuss nicht bis Mittwoch die Verträge sehen dürfen.
Aus dem Verkehrsministerium hieß es, man habe eine "Taskforce" eingerichtet, die sich zurzeit "mit den rechtlichen und finanziellen Auswirkungen" des Urteils befasse. In der nächsten Woche lägen weitere Ergebnisse vor.