Hof:Von der roten zur braunen Stadt

Hof: Am 10. November 1938 wurden die Schriftzüge einer bereits "arisierten" Zweigniederlassung des Schuhhauses Bottina in der Stadt Hof abmontiert.

Am 10. November 1938 wurden die Schriftzüge einer bereits "arisierten" Zweigniederlassung des Schuhhauses Bottina in der Stadt Hof abmontiert.

(Foto: Transit-Verlag)

Hof entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit von einer Hochburg der Sozialdemokratie zu einer führenden Nazi-Kommune. Und das zehn Jahre vor der Machtübernahme. Ein Buch beleuchtet Schicksale jüdischer Familien.

Von Olaf Przybilla, Hof

Die Industriestadt Hof ist eine historische Hochburg der Sozialdemokratie in Bayern. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg versammelten die unabhängigen Sozialdemokraten dort 51,2 Prozent der Stimmen auf sich. Umso verstörender wirkt die Entwicklung, die diese Stadt danach genommen hat. Innerhalb kürzester Zeit wandelte sich eine rote in eine braune Stadt. Schon 1920 wandte sich der Geschäftsinhaber und Hemdenfabrikant Max Franken an den Stadtrat. Er berichtet von "schmachvoller Hetze gegen deutsche Juden", gegen die man sich selbst nicht verteidigen könne, "da die Urheber nicht genügend Mut" aufwiesen, auch persönlich hervorzutreten. 13 Jahre vor der Machtübernahme durch die Nazis berichtete der Geschäftsmann von bedruckten Zetteln wüsten antisemitischen Inhalts, die "fast wöchentlich" auf seinen Schaufenstern klebten.

Das lässt erschauern, die Dimension der Zeitenwende dürfte Max Franken aber spätestens im September 1923 bewusst geworden sein. Da veranstalteten völkische Verbände einen "Deutschen Tag" in Hof, den Besuch Hitlers inbegriffen, und die Lokalzeitung, der Hofer Anzeiger, macht keinen Hehl daraus, was davon zu halten sei. Der Sinn des Aufmarsches? "Damit in diesem als linksradikales Nest verschrieenen Hof" einmal ein "kraftvolles Bekenntnis zum wahrhaften deutschen Nationalgedanken abgelegt werde", rekapituliert das Blatt, das den Tag mit völkisch aufgekratzter Inbrunst begleitet. Auf den Gedanken, in Hof nicht gelitten zu sein, konnten Besucher beim besten Willen nicht kommen: "Willkommen in Hof, ihr deutschen Männer aus Bayerns blauen Bergen, aus Böheims dunklen Wäldern, aus Sachsen und dem grünen Thüringland", umschmeichelte das Blatt die Gäste auf ihrer ersten Seite - und bejubelte, was deren Eintreffen in Hof so wertvoll mache: "Grauenhaft liegt Deutschland als ein Bild wüster Zerstörung vor uns", anzukämpfen habe man gegen eine "sozialistisch-kommunistische Schwindelwelt". Wie gesagt: Das alles geschah in Hof zehn Jahre vor der NS-Machtübernahme.

Hof: Das Bild zeigt die drei Töchter des Geschäftsinhabers und Hemdenfabrikanten Max Franken um das Jahr 1930 herum: Margarete, Lore und Käthe.

Das Bild zeigt die drei Töchter des Geschäftsinhabers und Hemdenfabrikanten Max Franken um das Jahr 1930 herum: Margarete, Lore und Käthe.

(Foto: Transit-Verlag)

Max Franken hat später notiert, der Besuch Hitlers habe wie ein "Gift" gewirkt: Bereits 1923 habe die Stadt "vor Begeisterung gezittert", sei so zu einer der ersten nationalsozialistischen Städte überhaupt geworden. Das mag unverständlich klingen angesichts der roten Historie Hofs. Wird aber klarer, liest man das Resümee des Hofer Anzeigers vom 17. September 1923: "Das war ein Tag, wie ihn unsere Stadt noch nie gesehen hat. Wie herzbewegend war doch dieser Jubel in einer Zeit so drückend schwer, so voll Jammer um das deutsche Vaterland. Und eben diesem Vaterland galt das helle Singen und Klingen, das gestern über unserer Stadt lag." Zum Festgottesdienst sollen 150 000 Menschen gezogen sein - eine schier unfassbare Zahl, bedenkt man, dass Hof zu jener Zeit 40 000 Einwohner hatte. Es gab frühere Nazistädte in Bayern (Coburg), es gab braunere Regionen (die Gegend um Rothenburg ob der Tauber) und für die Nazis wichtigere Bastionen (München und Nürnberg). So verstörend, so rasant aber wie in Hof war der ideologische Wandel zur NS-Hochburg kaum irgendwo.

Umso wichtiger ist die Arbeit des Historikers Ekkehard Hübschmann, der nun einen Band über "Jüdische Familien in Hof an der Saale" (Transit Verlag Berlin 2019) vorgelegt hat, in dem Schicksale jüdischer Familien und deren Verfolgung im Nationalsozialismus beleuchtet werden. Die Familie Franken, angesehene Geschäftsleute in Oberfranken, ist eine davon. In ihrer Schneiderei waren zuletzt 80 Angestellte beschäftigt, aber bereits 1920 sah sich Max Franken zu einem Brandbrief an den Hofer Stadtrat veranlasst. "Unter zirka 40 000 Einwohnern leben am hiesigen Platz zirka 70 Juden", die "in anständiger Weise ihrem Beruf nachgehen", schreibt Franken. Da stelle er sich schon die Frage, ob es dem "hochwohllöblichen Stadtrate nicht möglich sein wird, die Ehre und das Ansehen dieser Wenigen besser zu schützen?" Die antisemitischen Anschläge aber hörten nicht auf. Im Gegenteil: Schon nach dem "Deutschen Tag" 1923 wurde sein Geschäft gemieden. Jener Tag, wird Franken später notieren, sei der "erste Nagel am Sarge" seines Unternehmens gewesen.

Zehn Jahre, bevor Hitler an die Macht kam, sahen sich die Frankens also bereits übel drangsaliert. Als das Leben in der Stadt unmöglich wurde, zogen die Frankens nach Leipzig. 1941 wurde Max Franken inhaftiert und misshandelt, später gelang ihm die Ausreise nach Buenos Aires, als Mann über 60. Frau und Kinder durften nicht mit. Seine Töchter Margarete und Käthe überlebten den Krieg, auch die Deportation ins Ghetto in Riga und das Konzentrationslager Stutthof. Auch seine Tochter Lore wurde deportiert, sie starb 1945 nach der Befreiung durch die Rote Armee. Seine Frau Therese wurde ebenfalls deportiert. Sie starb 1944 im KZ Stutthof.

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