Streaming:Unsichtbarer Horror

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Im Angesicht der Katastrophe: Die leitende Ingenieurin Laura (Susi Sánchez) und der Techniker Pedro (David Tenreiro) lassen nichts unversucht, um das Schlimmste doch noch zu verhindern. (Foto: Emilio Pereda/ZDF)

Im Schatten des Hypes um "Chernobyl" beschäftigt sich eine sehr viel subtilere Serie mit dem Grauen einer Reaktorkatastrophe: "La Zona - Do not cross".

Von Kathrin Hollmer

Seit vergangener Woche ist Chernobyl die beste Serie aller Zeiten - zumindest wenn es nach der Filmdatenbank IMDb geht. In deren Bewertung hat die Produktion von HBO und Sky über die Atomkatastrophe von Tschernobyl Game of Thrones als beste Serie verdrängt. Die Kritiken waren eher durchwachsen, der Hype um die Serie und den Katastrophentourismus vor Ort ist nach wie vor riesig.

So kam es, dass leider im Schatten von Chernobyl Mitte Juni auf ZDF Neo La Zona - Do not cross startete, eine Zusammenarbeit von ZDF Neo und dem spanischen Bezahlsender Movistar+, über einen fiktiven Reaktorunfall im Norden Spaniens. Leider, denn anders als Chernobyl verzichtet die achtteilige Serie der Brüder Jorge und Alberto Sánchez-Cabezudo auf Action und Pathos. Stattdessen beschäftigt sie sich, sehr real und atmosphärisch inszeniert, mit den Nachwirkungen der Katastrophe und den Verantwortlichen, die sich weitgehend aus der Verantwortung stehlen.

Drei Jahre nach dem Super-GAU in der Gegend um Gijón, einer Küstenstadt im Norden des Landes, fallen Menschen in der Dusche die Haare aus, Krebsdiagnosen häufen sich, die Strahlenkrankheit tritt erneut auf. Die aus der Sperrzone evakuierten Anwohner leben in einer Art Slum. Die ersten werden bereits zurückgesiedelt in jene Gebiete, in denen die Strahlung zurückgegangen ist. Was in ihrem Garten wächst, ist ungenießbar, ein LKW bringt Lebensmittel und Wasser. Fleisch und Gemüse müssen sie stundenlang in Salzwasser einlegen, bevor sie es essen.

Bei der Verfolgung von Zoe Montero (Alba Galocha), die verstrahlte Hehlerware aus der Sperrzone schmuggelt, entdecken Polizisten die Leiche ihres Onkels, mit Bissspuren von Wölfen und Menschen. Die Ermittler kämpfen selbst mit den Folgen des Unfalls: Kommissar Hector Uría (Eduard Fernández) hat seinen Sohn bei dem Unfall verloren, danach ging seine Ehe kaputt. Nach dem Unfall war er einer von 50 freiwilligen Helfern, die Menschen vor Ort retteten. Er ist der einzige, der noch lebt; warum ist unklar. Halt und Rat findet er bei seiner Geliebten, der Ärztin Julia Martos (Alexandra Jiménez), die für die Zentrale für nukleare Sicherheit arbeitet. Hectors Partner Martín Garrido (Alvaro Cervantes), der Geld für die Behandlung seiner krebskranken Frau braucht, ist selbst in dubiose Geschäfte verstrickt.

Während Chernobyl trotz des Thrills der wahren Begebenheit, den die Serie ohnehin hat, noch überinszeniert wirkt, sind in La Zona sogar die menschenfressenden Zombies subtil. Ihre Unaufgeregtheit und der gezeigte Pragmatismus machen die Serie erst so bedrückend: etwa die "Liquidatoren", die der Staat gegen Straffreiheit die Gegend dekontaminieren lässt, obwohl das den sicheren Tod bedeutet. Ganze Landstriche sind zu sehen, in denen Menschen Erde in Plastiksäcke schaufeln. Wie so oft ist gerade das furchteinflößend, was man nicht sieht. Die omnipräsenten Schutzanzüge sorgen dafür, dass man die drohende Gefahr nie vergisst. Und das Knacken der Dosimeter.

Für ZDF Neo ist La Zona die erste Koproduktion mit einem südeuropäischen Partner, man wünscht sich mehr davon.

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© SZ vom 25.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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