Serien:Besser adaptieren

Beliebt im Filmfest-Programm: die Reihen "Neue Deutsche Serien" und "Serien Spotlight" mit Produktionen aus aller Welt. In diesem Jahr lassen sich dort viele Literaturverfilmungen finden, zum Beispiel "Das Leben des Vernon Subutex".

Von Nicolas Freund

"Welcher Autor hat noch mal gesagt, man solle für die eine Person schreiben, die den Text nie lesen wird?", fragt der etwas bemüht jung-gebliebene Filmproduzent seine neue Mitarbeiterin in der Serienadaption von Virginie Despentes' Romanreihe "Das Leben des Vernon Subutex". Fast könnte diese Frage zum provokanten Motto des Serienprogramms beim Filmfest taugen. Es hieß ja einmal, die Fernsehserie sei der Roman des 21. Jahrhunderts und tatsächlich basieren in diesem Jahr fast die Hälfte der neu vorgestellten Serien auf Büchern. Wird die Fernsehserie zum Ersatzmedium für alle, die sich für Literatur interessieren, aber nicht selbst lesen wollen? Oder fallen den Serienmachern keine eigenen Stoffe mehr ein?

Die Verfilmung von "Vernon Subutex", die vorab zu sehen war, ist ihrer Buchvorlage in jedem Fall gewachsen. Despentes' melancholische Geschichte über einen alternden Plattenhändler, der seinen langsam aussterbenden Freundeskreis in Paris abklappert, ist so gut besetzt und so detailliert inszeniert, dass sie wie die Romane ein ebenso kluges wie zynisches Gesellschaftsbild der Gegenwart entwirft. Da passt es dann wieder, dass die Serie, wenn die Verwandtschaft mit der Literatur bemüht wird, häufig mit den Sittenbildern der Werke Balzacs verglichen wird.

Die New Yorker Hip-Hopper des "Wu-Tang-Clan" bekommen eine eigene Doku-Serie

Auch in den neuen verfilmten Episoden aus Ferdinand von Schirachs Büchern "Schuld" und "Strafe" werden wieder schwierige gesellschaftliche und moralische Fragen verhandelt. Die Thriller-Serie West Of Liberty, basierend auf dem Roman von Thomas Engström, handelt von einen ehemaligen Agenten, der in einen komplizierten Fall um einen Whistleblower hineingezogen wird. Schon lange angekündigt war die von Ridley Scott produzierte Serie The Hot Zone nach dem Bestseller von Richard Preston, in dem der Autor bereits 1994 vor den Gefahren eines Ebola-Ausbruchs warnte. TV-Serien greifen auf Bücher nicht nur als Quellen zurück, sondern setzen in der Auswahl ihrer Stoffe Akzente und reagieren auf aktuelle Ereignisse, wie die tatsächlich seit Jahren drohenden Ebola-Ausbrüche in Afrika.

Die Reihen beim Filmfest zeigen aber auch, dass sich die Serien nicht auf Literatur als Inspiration beschränken. In Die neue Zeit geht es um ein Interview, das die Journalistin Stine Branderup 1964 mit dem Bauhaus-Architekten Walter Gropius geführt hatte. Der Wu-Tang-Clan bekommt eine eigene Doku-Serie und das deutsche Comedy-Format Das Institut erzählt mit durchaus auch dokumentarischen Zügen von den Alltagsabsurditäten an einer deutschen Sprachschule in der erfundenen Stadt Kallalabad. Zwischen all diesen Künsten und Lebenswelten beweisen die Serien, dass sie, wie Arde Madrid, auch eigene Ästhetiken entwerfen können: Ganz in schwarz-weiß gefilmt, erzählt die Serie zugleich bedrückend und witzig aus dem Spanien unter der Franco-Diktatur.

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