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Friedrich Ani stellt im Literaturhaus seinen neuen Krimi "All die unbewohnten Zimmer" vor

Von Antje Weber

Während die "Patriotische Allianz Deutschlands" an einem Montag zum Odeonsplatz marschiert, laufen ein paar Straßen weiter zwei syrische Kinder, die gerade an einem Gemüsestand Obst geklaut haben, vor einem Polizisten weg. Wenig später ist der Polizist tot, und das wirft natürlich einige Fragen auf, die man sehr unterschiedlich beantworten kann.

Das ist nur einer von zwei Mordfällen in München, die Friedrich Ani in seinem neuen Krimi aufklären lässt. Denn da gibt es auch noch diesen Mann, der in Haidhausen eine Bibliothekarin erschossen hat, am helllichten Tag hat er von einem Haus aus auf sie gezielt, als sie über den Weißenburger Platz lief. Ein weiterer Polizist ist dabei verletzt worden. Und die Ermittlerin Fariza Nasri begibt sich selbst in tödliche Gefahr, als sie eigenmächtig allein in die Wohnung des mutmaßlichen Mörders eindringt.

"All die unbewohnten Zimmer" (Suhrkamp) hat Ani seinen kraftvollen und komplexen neuen Roman genannt; mit den unbewohnten Zimmern meint der Münchner Schriftsteller dabei wohl auch die einen oder anderen Seelenräume seiner Figuren. Ein bisschen konzentrieren muss man sich schon, um zwischen all den Zimmern und Geschichten, den verschiedenen Perspektiven und Figuren auf fast 500 Seiten den Überblick nicht zu verlieren. Doch etliche der Figuren sind Ani-Fans ohnehin bereits bekannt - neu ist nur, dass er seine Ermittler hier aufeinander treffen lässt.

Da ist neben der impulsiven Fariza Nasri natürlich der eigenwillige Tabor Süden zu nennen, der Mann, von dem es heißt, er bringe "Verschwundenen ihren Schatten zurück". Zufällig kommt er am Hauptbahnhof mit dem pensionierten Kommissar Jakob Franck ins Gespräch - sie erkennen einander nur nicht. Franck hat seinen Kopf ohnehin woanders, er hat gerade wieder einmal, geschätzt wegen seiner Einfühlungsgabe, eine Todesnachricht an einen Hinterbliebenen überbracht. Offiziell noch im Dienst, wenngleich auch bereits kurz vor der Pensionierung, ist hingegen Polonius Fischer, ein ehemaliger Mönch, der seine Mitarbeiter im Kommissariat in der Burgstraße beim Mittagessen erbauliche Bücher vorlesen lässt.

Diesen kantigen Charakteren, allesamt vom Leben gezeichnet, lässt Ani genug Raum, um auf ihre je eigene Weise zur Lösung der Fälle beizutragen. Die sind vertrackt genug, um die Leser über die lange Strecke mitzunehmen, und sprachlich und psychologisch sind sie bei Ani sowieso gut eingebettet. Im Übrigen: Auch wenn dieser Krimi nicht so schwarz daherkommt wie die letzten, ist er doch düster grundiert. Nicht nur, weil eine Stadt oder auch Gesellschaft, in der eine rechte Szene sich gegen Geflüchtete oder Juden in Stellung bringt, sowieso schon einmal nicht ungebrochen glänzen kann; Ani greift hier sehr aktuelle politische Diskussionen und Entwicklungen auf. Sondern auch, weil er einmal mehr die Randfiguren und Gestrandeten einer - oberflächlich betrachtet - überreichen Stadt sichtbar macht. Man kann diesen Roman auch als Gegengift gegen Gleichgültigkeit lesen.

Friedrich Ani ; Donnerstag, 27. Juni, 20 Uhr, Literaturhaus, Salvatorplatz 1

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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