Fotografie:Bewegung als Protest

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Das Haus 10 widmet dem Münchner Butoh-Tänzer Stefan Maria Marb eine eigene Ausstellung. Fotografien von Stefan Hagen und Volker Derlath zeigen Momente, die eigentlich nicht festzuhalten sind

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es sind Bewegungen und Verrenkungen, die selbst für den Betrachter oft nur schwer auszuhalten sind. Bewegungen, wie man sie im klassischen Tanztheater oder Ballett nie zu sehen bekommt. Zu radikal ist das, was die Butoh-Tänzer mit ihrem Körper vollführen. Und genau darum ging es bei der Entstehung dieser Ausdrucksform in Japan Ende der Fünfzigerjahre. Um Protest, Radikalität, Abgrenzung. Gegen die Übergriffe der westlichen Kultur, aber auch gegen überkommene Traditionen. In Deutschland gehört der Münchner Stefan Maria Marb zu den Pionieren des Butoh-Tanzes. Ihm widmet das Haus 10 nun eine Ausstellung, die am Freitag eröffnet wird und die gleich am Samstag ihren Höhepunkt findet, wenn Marb zur Kulturnacht einen Butoh-Tanz präsentiert. Eben weil diese Bewegungsform so anstrengend und belastend für den Körper ist, wird es nur eine Aufführung geben.

In der Ausstellung zeigen die beiden Fotografen Stefan Hagen und Volker Derlath Bilder die sie in den vergangenen Jahrzehnten von Marb gemacht haben. Beide kennen und begleiten den Körperkünstler schon sehr lange. Genau wie Sabine Scharf, von der ein Video mit Szenen von verschiedenen Auftritten Marbs zu sehen ist. Drei Skulpturen des Holzbildhauers Andreas Kuhnlein ergänzen die Ausstellung.

Auffällig ist, wie unterschiedlich die beiden Fotografen versuchen, das was Marb zeigt, in ihren Bildern einzufangen. Während Derlath einzelne Momente in gestochen scharfen Fotos einfängt, nähert sich Hagen den Bewegungen mit langer Belichtungszeit. Es entstehen verschwommene Lichtgemälde. Diese Unterschiedlichkeit zeigt, wie schwer es ist, die Einmaligkeit dieses besonderen Tanzes zu dokumentieren. Und doch gelingt es den beiden Fotografen, gerade in Kombination, dem Betrachter zumindest ein Gefühl dessen zu vermitteln, was Marb ausdrücken möchte.

Der New Yorker Fotograf Stefan Hagen (im Bild) kennt den Tänzer Stefan Maria Marb bereits seit der Schulzeit und begleitet sein künstlerisches Werk seit Jahrzehnten. Eine Bilderserie zeigt Marb vor 30 Jahren in einer Münchner Tiefgarage - diesen Ort haben die beiden nun wieder besucht. (Foto: Matthias Döring)

Derlath gelingt es, hoch ästhetische Momente festzuhalten. Etwa wenn er Marb, butoh-typisch fast nackt, auf dem Bühnenboden liegend fotografiert. Den Körper verdreht und erschlafft, die Arme von sich gestreckt liegt Marb da, während neben ihm ein Schatten in voller Bewegung festgehalten ist. Das Besondere an Derlaths Bildern: Um den Künstler herum ist viel schwarzer Raum zu sehen, was die Wirkung des Motives enorm verstärkt, ihm etwas Ikonisches verleiht.

Hagens Fotografien dagegen vermitteln einen Eindruck von der emotionalen Seite von Marbs Tänzen. Fließend sind sie, voller Leichtigkeit. Aufgenommen sind sie im Freien, etwa auf einem Salzsee in der Wüste von Nevada. Mit diesen Fotografien zeigt Hagen, dass Tanz nie im leeren Raum stattfindet, sondern mit seiner Umgebung interagiert, auf sie reagiert und sie so, für einen Moment, neu gestaltet. Etwas Besonderes bekommen die Bilder auch dadurch, dass Hagen nicht statisch an einem Fleck steht, während Marb tanzt. Vielmehr bewegt er sich mit ihm, schafft so eine weitere spannende Ebene des Dialogs.

Passend ergänzt werden die Fotos von den groben Kettensägen-Skulpturen von Andreas Kuhnlein, die das Archaische des Butoh-Tanzes widerspiegeln. Der Film von Sabine Scharf vermittelt zudem einen guten Eindruck vom künstlerischen Schaffen Marbs und seinen Tänzen.

Ausstellung "Apres - eine Verwandlung. 30 Jahre Butoh des Stefan Maria Marb", Haus 10 Kloster Fürstenfeld, Vernissage am Freitag, 28. Juni, von 19.30 Uhr an. Zu sehen bis 14. Juli. Butoh-Performance von Stefan Maria Marb während der Brucker Kulturnacht am Samstag, 29. Juni, um 21.45 im Haus 10.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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